: Die Großen lässt man kaufen
Contra: Peter Hartz hat mit einem „Deal“ eine mildere Strafe erreicht. Wenn solche Absprachen immer weiter um sich greifen, wird eine gerechte Strafverfolgung erschwert
Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Diesen Eindruck wird das Urteil gegen Peter Hartz wohl bei vielen hervorrufen. Es wirft nicht nur die Frage auf, ob die Strafe angemessen ist, sondern viel mehr noch die Frage, ob es korrekt zustande kam. Denn Peter Hartz ließ sich noch vor Beginn der Hauptverhandlung vom Gericht eine milde Strafe, das heißt eine auf Bewährung, zusagen – und versprach dafür im Gegenzug, in der Hauptverhandlung ein Geständnis abzulegen. So soll ein kurzer, reibungsloser Prozess ermöglicht werden. Die Vorteile für die Beteiligten liegen auf der Hand.
Die Strafprozessordnung sieht ein derartiges Vorgehen nicht vor. Dies soll sich jedoch nach den Plänen der Bundesregierung bald ändern. So soll der Zusammenbruch der Strafjustiz abgewendet werden, der sonst angeblich wegen Arbeitsüberlastung droht. Zugleich werde damit auch dem Trend zur einvernehmlichen Lösung Rechnung getragen.
Die übliche und inzwischen auch offen betriebene Praxis der so genannten Absprachen ist jedoch auch dann, wenn sie in Gesetzesform gegossen sein sollte, nicht mit der Idee eines rechtsstaatlichen Strafverfahrens zu vereinbaren.
Eine Absprache wird in der Regel, wie auch im Fall Peter Hartz geschehen, hinter verschlossenen Türen getroffen. Der Öffentlichkeit wird nur deren Ergebnis präsentiert. Der vermeintliche Konsens der Beteiligten macht jedoch die Kontrolle der Rechtsprechung durch Öffentlichkeit nicht überflüssig und bietet keine Gewähr dafür, dass das Ergebnis richtig ist. Denn die Beteiligten verfolgen mit der schnellen Erledigung des Verfahrens durch eine Absprache jeweils eigene Vorteile, sei es die bequeme Erledigung des Verfahrens oder eine milde Strafe.
Diese Ziele müssen aber mit dem Ziel, ein richtiges und gerechtes Urteil zu finden, nicht zwangsläufig übereinstimmen. Absprachen beruhen auf dem Prinzip „Tausche Geständnis gegen milde Strafe“. Sie sind also das Ergebnis der Drohung, dass dem Angeklagten ohne sein Geständnis Schlimmeres bevorstehe.
So soll im Übrigen auch die Oberstaatsanwältin mit einer „richtigen Hauptverhandlung mit richtig vielen Zeugen“ gedroht haben, falls Peter Hartz nicht bei seinem zugesagten Geständnis bleiben und keine genauen Angaben zu den Sonderboni für Klaus Volkert machen werde. Am Ende eines richtigen Hauptverfahrens hätte dann wohl keine Bewährungsstrafe mehr gestanden.
Ein Geständnis, das abgelegt wird, um angekündigtes Schlimmeres, wie die Haft, zu vermeiden, ist erzwungen. Dies ist verboten. Nicht zuletzt deshalb, weil die Richtigkeit eines erzwungenen Geständnisses zweifelhaft ist. Ein zweifelhaftes, unter Umständen falsches Geständnis taugt nicht als Grundlage eines gerechten Urteils. Umso fragwürdiger ist es auch, wenn mit dem Angebot milder Strafen Geständnisse erlangt werden, die der Verurteilung Dritter dienen sollen. Das ist falsch verstandene Prozessökonomie, die mehr schadet als nutzt.
Sind Verfahren tatsächlich oder rechtlich schwierig und noch dazu eine konfliktbereite, also teure Verteidigung engagiert, dann haben Angeklagte die Möglichkeit, Absprachen zu erreichen. Denn sie können dem Gericht und der Staatsanwaltschaft eine komplizierte und langwierige Hauptverhandlung androhen – und sich so mit einem Geständnis auch in gravierenden Fällen ein Zusage für eine milde Strafe erkaufen.
Genau diese Möglichkeit der Absprache scheint Peter Hartz gehabt zu haben. Das dient nicht der Idee einer gerechten Strafverfolgung. Ob das Urteil richtig ist, bleibt weiterhin offen.
JUDITH HAUER
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