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Aufrüstung an allen Fronten

Die Nato verstärkt ihre Truppen für eine Frühjahrsoffensive gegen die Taliban, die mehr Selbstmordanschläge ankündigen. Doch mit militärischen Mitteln ist Afghanistan nicht zu befrieden

BERLIN taz ■ Der Zeitpunkt war bewusst gewählt. Das Jahr 2007 werde das „blutigste Jahr“ für die ausländischen Truppen prophezeite der Talibanführer Mullah Hajatullah Chan vergangenen Sonntag – just an dem Tag, als das Kommando für die Isaf-Truppen in Afghanistan an US-General Dan McNeill überging. Es stünden 2.000 Männer bereit, um als Selbstmordattentäter loszuschlagen. Die Nato, die im vergangenen Jahr das Kommando in ganz Afghanistan übernommen hatte, sieht sich mit dem schlimmsten Anstieg der Gewalt seit dem Sturz der Taliban 2001 konfrontiert. Im vergangenen Jahr starben in Afghanistan 4.000 Menschen – ein Viertel von ihnen Zivilisten; 117 ausländische Soldaten wurden getötet.

Obwohl mehrere Offensiven nicht den gewünschten Erfolg brachten, hält die Nato an ihrer militärisch dominierten Strategie fest. In wenigen Wochen soll eine neue Frühjahrsoffensive starten. Die Briten haben ihre Truppen dafür in den letzten Wochen um 800 Mann verstärkt, die USA werden die Zahl ihrer Isaf-Soldaten von 11.500 auf 15.000 erhöhen. Bereits auf dem Treffen der Nato-Außenminister Ende Januar hatte US-Außenministerin Condoleezza Rice mehr amerikanische Mittel angekündigt und die Nato-Partner zu mehr Engagement aufgerufen. Deutschland stellt mit 3.000 der insgesamt 33.000 Isaf-Soldaten zwar nach den USA und Großbritannien das drittgrößte Kontingent. Die Deutschen sind jedoch im ruhigen Norden stationiert. Im unsicheren Süden und Osten hingegen kämpfen vor allem Amerikaner, Briten, Kanadier und Holländer.

Dass militärische Maßnahmen zu kurz greifen, zeigt das Beispiel Helmand, wo die heftigsten Kämpfe toben. Aus der Provinz im Südosten Afghanistans kommt 60 Prozent der afghanischen Opiumproduktion. Keine der Armeeoffensiven hat daran etwas geändert. „Helmand ist das Zentrum des Terrors“, beschrieb der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta vorige Woche auf der Afghanistankonferenz in Berlin die Situation. „Der Krieg dort ist auch ein Krieg von Drogenbaronen.“

Beobachter und Experten kritisieren immer schärfer, dass der Kampf gegen das Rauschgift durch die Zerstörung der Mohnfelder einseitig geführt wird. Auch weil dadurch enttäuschte Mohnbauern in die Hände der Taliban getrieben werden, hat sich die afghanische Regierung explizit gegen das Besprühen der Felder mit Herbiziden ausgesprochen. Aber eine Garantie dafür, dass die USA mit Sprüheinsätzen aufhören werden, ist das keineswegs. Im Gegenteil: Der neue US-Botschafter in Kabul war bisher in Kolumbien stationiert. Das verstärkt die Befürchtungen von Beobachtern, dass die Sprühkampagnen wieder intensiviert werden. Inwieweit dafür zur „Zielerkennung“ auch auf die Bilder der deutschen „Tornados“ zurückgegriffen werden könnte, ist völlig unklar.

Es ist diese Kurzfristigkeit, vor der Experten immer wieder warnen. Die zunehmend kritische Situation führe dazu, dass nur noch schnelle Reaktionen ohne langfristige Strategie erfolgen, urteilt die International Crisis Group. „Der Wunsch nach einem schnellen, billigen Krieg und einem schnellen, billigen Frieden hat Afghanistan in die heutige Situation gebracht.“ Ähnlich äußert sich Afghanistans Außenminister Spanta. „Jeder, der gedacht hat: Fünf Jahre nach dem Fall der Taliban wird das Projekt endgültig ein Erfolgsprojekt, war sehr naiv.“ Er wartete auch mit einer konkreten Zahl auf, die das internationale Engagement mit anderen Regionen vergleicht. Was man im Kosovo investiert habe, so Spanta, sei 16-mal mehr als in Afghanistan. ANETT KELLER

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