piwik no script img

Das große Fressen und Stechen

Der Kampf gegen die Miniermotte wird härter: Nun setzt der Senat auf natürliche Feinde. Gezüchtete Larven der Erzwespe sollen den lästigen Falter töten. Auch Fallen mit Sexuallockstoffen werden erprobt, um Kastanien zu retten

„Wir werden weiter harken“, sagt Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer

Fressen und gefressen werden. Lange machte sich die Miniermotte (Cameraria ohridella) ungestört auf Berlins Kastanien breit, fraß, schmarotzte und zerstörte. Jetzt soll es ihr selbst an den Kragen gehen, denn im Kampf gegen die lästigen Falter könnte schon bald ein anderer Schädling helfen. Erzwespen (Pnigalio agraules) sollen dem Vielfraß zu Leibe rücken und seine Larven vernichten. „Innerstädtischer Pflanzenschutz ist schwierig“, erklärte gestern Barbara Jäckel vom Pflanzenschutzamt. „Wir setzen große Hoffnungen in die Erzwespe.“

Seit 1998 tritt die Miniermotte in Berlin an den weißblühenden Rosskastanien auf. Durch die kahlgefressenen Bäume beeinträchtigen sie nicht nur das Stadtbild, sondern auch die Funktion der Kastanien. Die Fähigkeit, über die Blätter Kohlendioxid zu binden und Sauerstoff zu produzieren, wird durch das Treiben der Miniermotte zum Teil völlig unmöglich gemacht. Deshalb leidet auch das Klima unter den Schäden, die jedes Jahr an den etwa 48.000 Bäumen auftreten.

Drei Jahre lang erarbeitete das Pflanzenschutzamt in Zusammenarbeit mit der Technischen Fachhochschule Berlin Lösungsansätze zur Verringerung der Mottenschäden. Ein vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zur Verfügung gestelltes Budget von 800.000 Euro verwendeten die Forscher dafür, biotechnische, chemische und biologische Bekämpfungsmöglichkeiten zu erarbeiten.

Am vielversprechendsten erscheint es bisher, einen anderen Schädling auf die Miniermotte anzusetzen. Die Erzwespe könnte schon bald für ein gesundes Gleichgewicht sorgen, denn ihre Larven ernähren sich von denen der Miniermotte. Doch Letztere schlüpfen sechs Wochen später und werden dann nicht mehr von den ausgewachsenen Wespen gefressen. Geplant ist deshalb, die Wespenlarven zu kühlen, um ihre Entwicklung aufzuhalten, und sie dann zum rechten Zeitpunkt an betroffenen Bäumen auszusetzen. Im besten Fall könnte sich das Insekt sogar selbst an den Schlupfrhythmus der Miniermotte anpassen. Doch „ob es sich tatsächlich anpasst, wird sich erst in weiteren Versuchen zeigen“, erklärte Jäckel.

Als weitere Lösungsmöglichkeit nennen die Forscher Fallen, die Sexuallockstoffe enthalten. „Die Erfolge mit den Fallen waren zwar bisher gering“, erklärt Jäckel, „aber als Ergänzung zu weiteren Maßnahmen ist dieses Verfahren durchaus denkbar.“ Eines davon könnte ein chemisches sein. Da in einer Stadt wie Berlin nur bedingt Schädlingsbekämpfungsmittel versprüht werden können, sollen nun über „Baumpflaster“ Wirkstoffe über die Rinde abgegeben und bis in die Blätter transportiert werden. Das Verfahren müsse jedoch noch weiter erprobt und seine Zulassung abgewartet werden.

Die einfachste wie auch bislang effektivste Möglichkeit bleibt deshalb weiterhin, das hinabgefallene Laub wegzuharken. Etwa 82 Prozent einer Mottengeneration können so vernichtet werden. „Die Kastanie ist einer der populärsten Bäume in Berlin“, sagte dazu Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer. „Wir sind es der Zukunft schuldig, diesen Baum zu erhalten. Wir werden weiter harken.“

Nadine Kleber

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen