: Von China lernen: Auf nach Afrika
Peking investiert massiv in afrikanische Rohstoffe – besonders in Öl. Der Westen hingegen ignoriert Afrika oft oder verfolgt eine widersprüchliche Menschenrechtspolitik
Chinas rasanter wirtschaftlicher und politischer Vormarsch in Afrika überrascht die deutsche Außenpolitik. Afrika gilt in Deutschland weithin als „Problemkontinent“, dem man helfen muss. Die wirtschaftliche und politische Bedeutung unseres Nachbarkontinents wird in Deutschland zumeist übersehen. China, das zeigt die gegenwärtige Reise des Präsidenten Hu Jintao in acht afrikanische Länder, hat hingegen das Potenzial Afrikas erkannt.
China interessiert vor allem die umfangreichen Rohstoffvorkommen. Insbesondere Afrikas Öl ist für Peking bedeutsam. Um den Energiedurst der rasant wachsenden chinesischen Wirtschaft auch in Zukunft stillen zu können, investiert China zunehmend in die Ölproduktion Angolas, Gabuns, Nigerias, Tschads und Sudans. Dreißig Prozent seiner Ölimporte kommen bereits aus Afrika. Neben Öl ist China an Kupfer, Eisenerz, Gold, Platin, Mangan, Bauxit, Uran und Diamanten interessiert. Denn im Jahr 2010 kann der Bedarf an Eisen nur noch zu 38 Prozent aus chinesischer Produktion gedeckt werden. Bis 2020 fällt dieser Wert auf 29 Prozent. Daher investiert China in großem Umfang in Afrika: So wenden chinesische Unternehmen in Sambia 500 Millionen US-Dollar für den Kupferabbau auf, in Ghana schürfen sie mit einem Investment von 600 Millionen US-Dollar nach Gold, und auf den Kapverdischen Inseln bauen sie für 55 Millionen US-Dollar eine Zementfabrik, um nur drei Beispiele einer langen Liste von Großprojekten zu nennen.
Chinas Engagement in Afrika ist aber nicht allein auf Rohstoffe beschränkt – das Land gewährt auch Hilfsgelder und Kredite in Milliardenhöhe und will Schulden in Höhe von 1,4 Milliarden US-Dollar streichen. China errichtet Infrastrukturprojekte wie eine Eisenbahn in Angola, Autobahnen in Nigeria, Telefonnetze im ländlichen Ghana oder einen Tiefwasserhafen in Gabun. Die Unctad hat in ihrem letzten Bericht bestätigt, dass die bislang mangelhafte Infrastruktur Afrikas durch diese Hilfe verbessert wird. China unterstützt auch die Afrikanischen Union (AU), indem sie in Addis Abeba ein neues Konferenzzentrum errichtet. Zudem bauen die Chinesen in Afrika 30 Krankenhäuser und 30 Malariabehandlungszentren sowie 100 Schulen im ländlichen Raum. Darüber hinaus sollen jährlich 4.000 Afrikaner Stipendien für einen Studienaufenthalt in China erhalten.
Und schließlich öffnet China seinen großen Markt für viele afrikanische Länder. Zollfreien Zugang sollen statt 190 dann 440 Produkte aus den am wenigsten entwickelten Staaten Afrikas gewährt werden. Ein Grund für diese Großzügigkeit: China benötigt immer mehr landwirtschaftliche Importe, um die eigene Bevölkerung zu versorgen. Dabei hat Peking das Schicksal der Sowjetunion vor Augen, die teuren Weizen aus den USA einführen musste und damit in Abhängigkeit geriet. Dem will China auch mit seinem Engagement in Afrika vorbeugen.
Nach den USA und Frankreich ist China heute schon der wichtigste Handelspartner Afrikas. Und der Handel wächst rasant. Im Jahr 2006 erreichte er etwa 55 Milliarden US-Dollar – im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies ein Plus von fast 40 Prozent. Handel ersetzt nicht Entwicklungshilfe, doch Handel sichert langfristig Arbeit und Einkommen und fördert den Austausch von Wissen. Momentan wächst die afrikanische Wirtschaft jährlich um 5 Prozent.
Dennoch sind die chinesisch-afrikanischen Beziehungen nicht ohne Probleme. So fürchtet der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki, dass Afrika als billiger Rohstofflieferant Chinas enden könnte. Sollte es Afrika nicht gelingen, verarbeitete Güter nach China zu exportieren, drohe der Kontinent dauerhaft unterentwickelt zu bleiben. Afrika dürfe, fordert Mbeki, die schädlichen Wirtschaftsbeziehungen zu den Kolonialmächten nicht mit China wiederholen.
Kritisiert wird China in Afrika auch wegen seiner Haltung im Sudan: Da Peking das Regime in Khartum im UN-Sicherheitsrat schützt, kommen härtere Sanktionen und eine UN-Militärmission in der Provinz Darfur nicht zustande. Die sudanesische Regierung kann gemeinsam mit Milizen weiterhin Krieg gegen die eigene Bevölkerung führen. Bis heute wurden bis zu 400.000 Menschen in Darfur getötet; weitere 2 Millionen mussten ihre Heimat verlassen. Peking nimmt inzwischen 60 Prozent des sudanesischen Öls ab, während sich amerikanische und europäische Unternehmen aus dem Sudan wegen der dortigen Menschenrechtsverletzungen zurückgezogen haben. Erst jüngst hat der Staat Kalifornien ein Gesetz verabschiedet, das die Pensionsfonds des Staates verpflichtet, Beteiligungen im Sudan zu verkaufen. Und auch europäische Unternehmen wie Siemens oder ABB verlassen den Sudan.
Doch China nutzt den Rückzug des Westens nicht nur im Sudan: Auch in Zimbabwe sichert sich Peking seine landwirtschaftlichen Importe, obwohl der autokratische Machthaber Mugabe die Rechte der Opposition kontinuierlich verletzt. Und die Regierung in Angola hat in Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds deutlich merken lassen, dass man nicht mehr Bittsteller ist.
Chinas Vormarsch in Afrika bietet allerdings die Chance, dass der Westen sich ebenfalls wieder stärker in Afrika engagiert und das ökonomische Potenzial dieses Kontinents erkennt. Dabei dürfen Europa und Amerika allerdings nicht überstürzt die alten Fehler wiederholen und Unrechtsregime wie einst Mobutu im Kongo oder Eyadema in Togo unterstützen, um sich Vorteile gegen die neue Konkurrenz aus China zu verschaffen. Die europäische Afrikapolitik muss den Menschenrechten hohe Bedeutung einräumen. Wie im Falle des Sudans gilt es daher, das wirtschaftliche und politische Engagement auch in weiteren Ländern zu überdenken. So kommen in Angola und Nigeria die Petromilliarden der Mehrheit der Bevölkerung kaum zugute. Der politische Druck aus Europa und den USA auf diese Regierungen und die Ölkonzerne sowie die beteiligten Kreditinstitute muss verstärkt werden. So plant etwa die Commerzbank ein neues Kreditgeschäft mit Angola.
Afrikas Entwicklung liegt aber vor allem in den Händen der afrikanischen Eliten. Es ist ihre Verantwortung, die steigenden Einnahmen, Direktinvestitionen und Entwicklungsgelder nun sinnvoller als in der Vergangenheit zu nutzen und nicht überkommene Machtstrukturen und Misswirtschaft zu festigen. Dabei mag der Blick nach China einigen afrikanischen Potentaten durchaus die Augen öffnen, wie die landwirtschaftliche und industrielle Entwicklung effizient gestaltet werden kann. Eine Lektion lautet: Gewinne müssen in die Wirtschaft reinvestiert werden, statt sie bei Luxuseinkäufen in Europa zu verschwenden. Afrikas Zivilgesellschaften müssen dabei auch gegenüber China auf die Beachtung der Menschenrechte drängen. Viele Stimmen auf dem Kontinent tun dies bereits, aber es müssen mehr werden. Der Sudan ist für China und Afrika die entscheidende Nagelprobe. ARMIN OSMANOVIC
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