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Obama tritt in die Fußstapfen Lincolns

Der US-Demokrat erklärt offiziell seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2008. In einer kämpferischen Rede vor seinen Anhängern fordert er einen schrittweisen Abzug aus dem Irak und ein Ende des Parteienstreits in Washington

AUS WASHINGTON ADRIENNE WOLTERSDORF

Der Ort war von seinem Team schon vor Wochen mit Bedacht gewählt worden: Springfield, im US-Bundesstaat Illinois. Hier, vor dem Old State Capitol kündigte Barack Obama, einer der Hoffnungsträger der US-Demokraten, am Samstag offiziell seine Präsidentschaftskandidatur an. Es war in diesem Kapitolgebäude, in dem Abraham Lincoln, einer der herausragendsten Präsidenten in der US-Geschichte, im Senatswahlkampf 1858 seine berühmte Rede gehalten hatte, in der er erklärte: „Ein in sich gespaltenes Haus kann keinen Bestand haben.“

In einer mit zahlreichen Anspielungen auf Lincoln gespickten Rede rief Obama bei klirrender Kälte vor jubelnden Anhängern zum Ende des Irakkriegs und des Parteienstreits in Washington auf. Bis zur Kandidatenkür auf dem Parteitag der Demokraten in Denver im August 2008 ist es aber noch ein weiter Weg. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass aus dem Vorwahlmarathon die Favoriten nicht unbedingt als Sieger hervorgehen.

Im Vergleich zu seinen MitbewerberInnen, darunter die New Yorker Senatorin und Ex-First-Lady Hillary Clinton, Senator Joseph Biden und der Exsenator und frühere Vizepräsidentschaftskandidat John Edwards, ist Obama ein politischer Neuling. Der Sohn eines Kenianers und einer weißen Amerikanerin sitzt erst seit etwas mehr als zwei Jahren als Senator in Washington. Zuvor diente er wie Abraham Lincoln acht Jahre im Senat seines Heimatstaats Illinois.

Obama erklärte, Washington brauche eine neue Sicht der Dinge. „Was uns aufhält, ist das Versagen der Führung, die Kleingeistigkeit unserer Politik, die Ablenkung durch das Kleinliche und Triviale“, sagte er. Obama forderte die Amerikaner auf, gemeinsam für Veränderungen zu kämpfen. „Wenn wir gespalten sind, werden wir scheitern.“

Obama erneuerte seine Forderung nach einem schrittweisen Abzug der US-Truppen ab Mai. Die Iraker wissen zu lassen, dass die US-Soldaten nicht ewig im Land blieben, sei die „letzte, beste Hoffnung“ auf Gespräche, um ein Ende der Gewalt zu erreichen. Obama hatte sich, anders als Clinton, von Anfang an gegen den Irakkrieg ausgesprochen.

In den vergangenen Wochen war Obama immer wieder vorgeworfen worden, er vertrete keine klar erkennbare Position und habe zu wenig Erfahrung. Obama konterte am Wochenende, indem er erklärte: „Ich weiß, dass ich noch nicht viel Zeit damit verbracht habe, die Gepflogenheiten in Washington kennen zu lernen, aber ich bin lange genug dort, um zu wissen, dass sie sich ändern müssen.“

Umstritten ist zudem, ob die US-AmerikanerInnen für ihren ersten afroamerikanischen Präsidenten bereit sind. Obama ist der einzige Schwarze unter den 100 Senatoren. Dem Sender CBS sagte er auf die Frage, ob seine Hautfarbe für ihn als Kandidat ein Nachteil sein würde: „Nein. Wenn ich dieses Rennen nicht gewinne, wird es andere Gründe haben – dass ich dem amerikanischen Volk keine Vision von der Richtung geboten habe, in die sich dieses Land bewegen muss.“

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