: Airport-Fans sollen nicht landen
Verhindert ein Volksbegehren die Schließung Tempelhofs? Die Verkehrssenatorin Junge-Reyer sagt nein. Doch 25.000 Stimmen hat die Initiative gegen das Ende des Flughafens bereits gesammelt
VON ULRICH SCHULTE
Als der Senat den Berlinern im letzten Sommer mit einer Verfassungsänderung mehr Mitbestimmungsrechte einräumte, lobte er sich selbst in höchsten Tönen: Endlich könnten die Bürger mit Volksbegehren Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen, hieß es. Wenn manche Bürger aber nicht so wollen, wie der Senat, wird es schwierig.
Zum Beispiel bei der Schließung des Flughafens Tempelhof. Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) will sich diese nicht von ein paar Airport-Fans madig machen lassen. Als das Oberverwaltungsgericht die von Rot-Rot beschlossenen Einmottung Oktober 2008 am Montag bestätigte, betonte Junge-Reyer vorsorglich: Sie gehe davon aus, dass an der Schließung „nicht mehr zu rütteln ist“. Auch durch ein Volksbegehren lasse sich dies nicht beeinflussen.
Ebenjenes ist eines der letzten Hintertürchen, dass die Tempelhof-Fans, zu denen CDU, FDP und Wirtschaftsverbände gehören, noch haben: Seit Ende November 2006 versucht eine Initiative, ein Volksbegehren gegen die Abmeldung des nostalgischen Airports anzuschieben. Der Verein „ICAT Interessengemeinschaft City-Airport Tempelhof“ sammelt rührig Unterschriften, bereits jetzt hat er 25.000 zusammen. „Die Leute stürmen bei Straßenaktionen auf uns zu“, sagt ICAT-Sprecher Wolfgang Przewieslik.
Aus Junge-Reyers Sicht könnten die Schließungsgegner ihre Arbeit sofort einstellen – weil sie eh nichts nützt. Dabei argumentiert die Senatsverwaltung juristisch: Volksbegehren könnten sich eher gegen künftige Senatsentscheidungen wenden, sagt Sprecherin Petra Rohland. Der Schließungsbescheid sei aber als Abkommen zwischen der Behörde und der Flughafengesellschaft bereits rechtsgültig. „Diesen Rechtsstatus kann die Senatsverwaltung nicht einseitig aufkündigen, da sie gegen geltendes Recht verstoßen würde.“
Das sehen die Tempelhof-Freunde anders. „Natürlich kann der Senat den Bescheid wieder aufheben. Er ist als politische Instanz gegenüber der Flughafengesellschaft weisungsbefugt“, sagt Przewieslik. Berlin ist neben Brandenburg und dem Bund Teilhaber der Gesellschaft. „Die Bevölkerung hat ein großes Interesse am Flughafen. Das darf Rot-Rot nicht ignorieren.“
In der Tat ist das ICAT-Tempo bei der Unterschriftensammlung rekordverdächtig. Sie bräuchte nur 20.000 gültige Signaturen, um ein Volksbegehren zu beantragen – dafür hätte die ICAT sechs Monate Zeit. „Wir sammeln weiter, damit wir eine Sicherheitsreserve haben“, sagt Przewieslik. Beim nächsten Schritt, dem Volksbegehren, müssen 7 Prozent der Wahlberechtigten gegen die Schließung stimmen, also etwa 170.000. Dann würden in einem Volksentscheid alle Berliner gefragt.
Experten in Basisdemokratie kritisieren den Senat. „Es wäre schade, wenn das erste Volksbegehren auf Landesebene in eine juristische Falle tappen würde“, sagt Michael Efler vom Verein Mehr Demokratie. Nachdem Rot-Rot selbst Volksbegehren erleichtert habe, zeige die jetzige Haltung für Efler vor allem eines: Inkonsequenz.
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