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Klimasaboteur Finnland stoppt EU-Pläne

Der Energieplan der EU-Kommission wird immer weiter unterhöhlt. Nun lehnt Helsinki die Vorgaben zur Reduzierung des Treibhausgases CO2 ab. Grund dafür ist der Druck der Papierindustrie, die um ihre Wettbewerbsfähigkeit fürchtet

von REINHARD WOLFF

Finnland lehnt den Vorschlag der EU-Kommission ab, den Ausstoß von Klimagasen bis 2020 um 20 Prozent gegenüber dem Bezugsjahr 1990 zu senken. Das beschloss die Regierung Ende vergangener Woche. Begründung: Eine solche Verpflichtung würde die internationale Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Papierindustrie gefährden. Damit droht der Energieplan der Kommission, der im März abgestimmt werden soll, auch am Punkt CO2-Minderung zu scheitern – er muss einstimmig angenommen werden.

Andere EU-Staaten hatten schon vorher Einwände gegen andere Bestandteile des Pakets erhoben. Während die meisten Umweltschützer das Brüsseler Vorhaben eher als nicht weitgehend genug kritisieren, monierten die Mitgliedstaaten die Forderungen, die Netze der Stromproduzenten zu entflechten und einen höheren Einsatz erneuerbarer Energie festzuschreiben –teilweise bereits erfolgreich.

Tarja Cronberg, Vorsitzende der finnischen Grünen, warf ihrer Regierung „lupenreine Klimaschizophrenie“ vor. „An einem Tag warnen die Minister vor dem Klimawandel, am nächsten bremsen sie die Maßnahmen der EU.“ Sie hält den inzwischen zumindest von Frankreich, Großbritannien und Schweden begrüßten Plan der Kommission auch in Finnland für realisierbar.

Allerdings müsste das Land dafür etwas tun. In den letzten 15 Jahren überschritt es die Verpflichtungen aus dem Kioto-Protokoll im Schnitt um 11 Prozent. 2004 lag es um 14,5 Prozent, ein Jahr vorher sogar 20 Prozent darüber. 2005 war bislang das einzige Jahr, bei dem der CO2-Ausstoß knapp unter dem Niveau von 1990 lag. Für diese Bilanz war jedoch ausschlaggebend, dass die Papierindustrie wegen eines Arbeitskampfes über Wochen nicht produzieren konnte.

Der Hauptgrund für Finnlands Rolle als Klimaschmutzfink ist, dass hier bisher nicht auf erneuerbare Energiequellen gesetzt wird. Mit 6 Prozent ist ihr Anteil an der Gesamtenergieproduktion nicht einmal halb so groß wie in Deutschland – und er beruht fast ausschließlich auf schon vor Jahrzehnten ausgebauter Wasserkraft. Die Windenergie kommt lediglich auf einen Anteil von 0,1 Prozent.

Zudem hat die Regierung es versäumt, die energiefressende Papierindustrie etwa über Steuergesetze zu einer – technisch möglichen – sparsameren Produktion zu zwingen. Stattdessen hat sie den FinnInnen den Bau eines fünften Atomreaktors, der 2012 ans Netz gehen soll, als Klimarezept verkauft.

Die Parteien haben die am 18. März anstehenden Parlamentswahlen zur „Klimawahl“ ausgerufen. Eine Mehrheit liebäugelt mit einem weiteren AKW-Neubau. Doch selbst damit ließen sich die Klimaziele der EU-Kommission nicht einhalten.

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