portrait: Spaniens Star auf der Justizbühne
Spanien hat einen neuen Star. Klein, drahtig, im dunklen Markenanzug, kahlgeschoren. Kein Sportler und kein Musiker, sondern es ist Richter Javier Gómez Bermúdez, über den alle schreiben: „Hart, aber gerecht“, „tadellos“, „perfekt“. Die Kolumnisten überschlagen sich vor Lob, wenn es um den 44-jährigen Juristen geht, der den Vorsitz im Verfahren gegen die 29 Angeklagten in Sachen Bomben auf die Pendlerzüge in Madrid innehat.
Gómez Bermúdez, der in zweiter Ehe mit einer Journalistin verheiratet ist, kann mit den Medien umgehen. Mindestens zweimal pro Verhandlungstag nutzt er eine Kaffeepause für einen Besuch im Presseraum im Untergeschoss des Hochsicherheitssaales. Mit vielen ist er per du. Hier ein Schulterklopfen, da ein kleines Späßchen. Gómez Bermúdez erzeugt Nähe, aber auch Respekt. Mit Sinn für Humor und didaktischem Sachverstand bringt er auch dem Letzten bei, warum eine Entscheidung so und nicht anders ausfallen musste. So mancher derer, die ihm dabei aufmerksam zuhören, haben in der Studienzeit in einem eigens für Journalisten geschriebenen Buch von ihm gelernt, wie das Gerichtswesen funktioniert.
Gómez Bermúdez, in einem südspanischen Dorf geboren, begann seine Karriere in Almería. 2002 wechselte er an die Audiencia Nacional, das oberste Strafgericht. Längst hat er sich mit Verfahren gegen Mitglieder der baskischen ETA oder spanischer Al-Qaida-Unterstützer einen Namen gemacht. Die Folge sind Leibwächter, ohne die er keinen Schritt tun kann.
Der Technikfan macht auch keinen Schritt ohne PDA und zwei Notebooks. Im Gerichtssaal kommt noch ein Tischgerät hinzu. Gómez Bermúdez ist Verfechter der Technik im Dienste der Transparenz. TV-Live-Übertragung aus dem Gerichtssaal und die Verhandlung in Echtzeit im Internet gehören ebenso dazu wie die 93.000-seitige Ermittlungsschrift auf DVD mit Suchprogramm oder die Vernetzung aller Richter, Staatsanwälte und Verteidiger, die im Verfahren um die Anschläge vom 11. März 2004 tätig sind. Jeden noch so kleinen Schritt der Prozessvorbereitung überwachte Gómez Bermúdez höchstpersönlich.
Doch das Mitglied der konservativen Richtervereinigung hat nicht nur Freunde. Zweimal legte der fortschrittliche Richterverband gegen seine Wahl zum Vorsitzenden der Strafkammer Widerspruch ein. Gómez Bermúdez, der auch ein drittes Mal gewählt wurde, sieht das gelassen. Über Politik redet er nicht. Er verweist stattdessen gerne auf seine juristische Laufbahn. An der Audiencia Nacional sitzen ihm von jeher zwei fortschrittliche Richter bei. Dennoch wurden noch immer alle Urteile einstimmig gefällt. REINER WANDLER
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