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Staatsanwalt gibt Manndeckung

Jugendliche Übeltäter, die mehr als fünf Straftaten begangen haben, sollen einen persönlichen Staatsanwalt bekommen. Justizexperten sprechen von Populismus

Die Justiz will der Jugendgewalt mit neuen Konzepten zu Leibe rücken. Nach dem Motto „Jedem Übeltäter seinen eigenen Staatsanwalt“ sollen Jugendliche, die mehr als fünf Mal zugeschlagen oder geraubt haben, fortan von ein und demselben Jugendstaatsanwalt „betreut“ werden. Das Ziel ist, sogenannte jugendliche Schwellentäter schnell und wirksam zur Rechenschaft zu ziehen, damit sie nicht zu Intensivtätern werden. Auch soll der persönliche Staatsanwalt verstärkt mit Polizei, Lehrern und Eltern zusammenarbeiten.

Das von Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) gestern vorgestellte Konzept lag schon eine Weile in der Schublade der Justizverwaltung. Es beruht auf den Erfahrungen, die die Ermittlungsbehörden mit Intensivtätern gemacht haben. Als Intensivtäter gelten Jugendliche und junge Erwachsene, die bereits mehr als zehn Straftaten oder mehrere besonders schwere Taten auf dem Konto haben. Bei der Staatsanwaltschaft gibt es seit 2003 eine aus zehn Dezernenten bestehende Sonderabteilung, die sich ausschließlich um Intensivtäter kümmert. Zurzeit seien in der Abteilung 470 Jugendliche erfasst, sagt ein Justizsprecher.

Die übrige Jugendkriminalität wird von ganz normalen Jugend-Staatsanwaltschaftsabteilungen bearbeitet. Im Kriminalgericht Moabit gibt es zurzeit acht Jugendabteilungen mit insgesamt 50 Dezernenten. Eine Durchforstung ihrer Akten im vergangenen Jahr hat ergeben, dass zwischen 1.200 und 2.000 Jugendliche auf der Vorstufe zum Intensivtäter sind. Dieser Personenkreis ist gemeint, wenn die Justiz von Schwellentätern spricht. Für sie soll künftig ein fester Jugendstaatsanwalt zuständig sein.

Wegen wechselnder Zuständigkeiten und fehlenden Austausches ist es in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen, dass der den Fall bearbeitende Dezernent den Überblick über die kriminellen Vorgeschichten verlor. Geplant ist auch, dass junge Täter zu Hause im Beisein der Eltern vernommen werden sollen. Diese wüssten oftmals nicht, was ihre Kinder in der Freizeit machten, heißt es.

Die Vorsitzende der Vereinigung Berliner Staatsanwälte, Vera Junker, begrüßt das Vorhaben. Es bedeute aber, dass durch hohe Fallzahlen ohnehin schon stark belastete Jugendstaatsanwälte noch stärker eingespannt würden. Auf den Gerichtsfluren in Moabit ist von „blankem Populismus“ die Rede, weil die Jugendstaatsanwälte schon jetzt „schlichtweg überfordert“ seien.PLUTONIA PLARRE

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