: Altersteilzeit light bleibt
Die Förderung des frühen Ruhestandes wird nur eingeschränkt. Handwerk rügt: „Altersteilzeit wird vorwiegend in Großbetrieben und öffentlichem Dienst eingesetzt“
BERLIN taz ■Auch so kann man sozialpolitische Probleme bewältigen – durch Nichtstun. Während die IG Metall gegen die Rente mit 67 und den Wegfall der Altersteilzeit protestiert, gibt man sich im Bundesarbeitsministerium gelassen. „Das Altersteilzeitgesetz bleibt doch“, sagte eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums der taz, „nur die Förderung durch die Bundesagentur für Arbeit läuft aus.“
Die Ministeriumsprecherin trat mit ihrer Aussage Medienberichten entgegen, das Altersteilzeitgesetz würde „abgeschafft“. „Das war nie geplant“, erläuterte sie. Tatsächlich enthält das Altersteilzeitgesetz selbst lediglich den Passus, für Anträge, die ab dem 1. Januar 2010 gestellt werden, gelte die Förderung durch die Bundesarbeitsagentur nicht mehr. Die Subventionierung durch die Steuer- und Abgabenfreiheit aber bleibt erhalten, sie ist im Einkommensteuergesetz und der Sozialversicherungsentgeltverordnung geregelt.
Dazu ein Beispiel: Bisher bleiben ältere Beschäftigte, die etwa mit 58 Jahren einen 6-jährigen Altersteilzeitvertrag abschließen, beispielsweise noch 3 Jahre im Betrieb und scheiden dann für weitere 3 Jahre aus. Offizieller Rentenbeginn ist in diesem Beispiel mit 64 Jahren. Formal hat der Beschäftigte während der Altersteilzeit eine halbe Stelle, das 50-prozentige Gehalt wird vom Arbeitgeber dabei um 20 bis 30 Prozent aufgestockt.
Diese Aufstockung wurde bisher von der Bundesagentur für Arbeit (BA) erstattet, wenn die Stelle von einem Jüngeren nachbesetzt wurde. Diese Erstattung durch die BA ist es, die ausläuft. Der Aufstockungsbeitrag bleibt aber weiterhin steuer- und abgabenfrei. Laut Bundesarbeitsministerium gab es im vergangenen Jahr 400.000 Fälle von Altersteilzeit, davon wurde aber nur ein Viertel von der Bundesarbeitsagentur gefördert.
Auch künftig werden Unternehmen also ihre älteren Beschäftigten vor dem 65. Geburtstag via Altersteilzeit nach Hause schicken, wenn sie dies bezahlen können. Das sei immer noch eine attraktive „indirekte Förderung“, beklagte Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerkes (ZDH).
Das Handwerk bemängelt, dass die Regelungen zur Altersteilzeit, auch die künftig bestehende Subventionierung, die Großunternehmen begünstigen. „Altersteilzeit wird vorwiegend von Großunternehmen und dem öffentlichen Dienst eingesetzt. Kleine Betriebe sind die große Ausnahme“, sagte Kentzler zur taz. Rund drei Viertel aller Fälle würden durch Begünstigung bei den Sozialversicherungsbeiträgen und den Steuern gefördert, obwohl kein Jüngerer eingestellt werde. „Das ist bloße Förderung von Nichtarbeit.“
Nach Angaben des ZDH sind 5 Prozent der Belegschaften im öffentlichen Dienst in Altersteilzeit und 2,3 Prozent im verarbeitenden Gewerbe. In den Bauberufen hingegen seien es nur 0,6 Prozent, dies sei schon der Spitzenwert in den handwerklichen Berufen.
„Altersteilzeit ist ein sozialverträglicher Weg zum Umgang mit Arbeitsbelastungen für ältere Belegschaften“, widerspricht jedoch IG-Metall-Sprecher Jörg Köther. Von Benachteiligung der kleineren Betriebe könne man nicht sprechen, sie trennten sich lediglich „unmittelbarer“ von ihren Belegschaften. Die Gewerkschaft möchte erreichen, dass die Altersteilzeit samt der Erstattungsregelung durch die Bundesarbeitsagentur erhalten bleibt oder neue vergleichbare Modelle zum „flexiblen Ausstieg“ gefunden werden. BARBARA DRIBBUSCH
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