VERSCHÄRFUNG DES JUGENDSTRAFRECHTS SCHLIESST EINE GESETZESLÜCKE: Präventivhaft bei sicherer Rückfallgefahr
Jugendliche sind doch noch in der Entwicklung! So protestieren viele, die von den neuen Plänen der Justizministerin hören. Brigitte Zypries will nachträgliche Sicherungsverwahrung auch über Täter verhängen, die nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden. Nach Zypries’ Plänen sollen allerdings keine Jugendlichen in Sicherungsverwahrung kommen, wie man meinen könnte – sondern Erwachsene, die auf die 30 zugehen.
Wer mit 17 Jahren einen Mord begangen hat und nach zehn Jahren Jugendstrafe entlassen wird, ist dann 27 Jahre alt. Für die Frage, ob dann eine präventive Sicherungsverwahrung angeordnet wird, kommt es nicht auf das ursprüngliche Verbrechen an, sondern auf das Verhalten in Haft. Wer hinter Gittern gewalttätig ist oder ernstzunehmende Drohungen ausspricht, könnte auch zehn Jahre nach dem ersten Mord noch gefährlich sein.
Anlass für die geplante strengere Gesetzesregelung gab der Münchener Rückfalltäter Martin P. Er war 28 Jahre alt, als er kurz nach seiner Haftentlassung zum zweiten Mal ein Kind tötete. Niemand weiß, ob er bei entsprechender Rechtslage in nachträgliche Sicherungsverwahrung gekommen wäre. Deshalb wird es solche tragischen Fälle wohl leider auch in Zukunft geben. Schließlich zielt das Mittel auf jene Ausnahmefälle, in denen man sich über die weitere Gefährlichkeit ziemlich sicher ist. Zypries’ Vorschlag ist eher defensiver Natur: Sie will sich nach Taten wie der von Martin P. nicht mehr anhören müssen, es gebe eine Lücke im Gesetz.
Tatsächlich haben solche Gesetzeslücken auch bislang nicht unbedingt zur Freilassung entlassener Straftäter geführt. Der Brandenburger Uwe K. etwa wurde zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen, weil für ihn keine Sicherungsverwahrung angeordnet werden konnte. Und der Quedlinburger Frank O. wird in einem vergleichbaren Fall rund um die Uhr von der Polizei überwacht. Im Vergleich dazu ist das Schließen von Gesetzeslücken bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung vorzuziehen – solange das Instrument rechtsstaatlich, also äußerst restriktiv, angewandt wird.
CHRISTIAN RATH
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