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Nur die Mutter zählt

Ursula von der Leyen setzt bei den fehlenden Krippenplätzen nun auf Tagesmütter. Sie sollen die Finanzierung der Kinderbetreuung sichern. Sieht so der neue „konservative Feminismus“ aus?

VON MARTIN MÜLLER

Heute ist der große Tag. Die Retter der deutschen Familie versammeln sich zum gemeinsamen Erbsenzählen. Die Arbeitsgruppe zur Krippenfinanzierung soll herausfinden, wie viele Kinderbetreuungsplätze die Nation denn nun wirklich braucht. Und vor allem: Wie soll man sie bezahlen?

Auch Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die anderen großkoalitionären Familienexperten werden auf das Offensichtliche stoßen: In Ostdeutschland liegt die Betreuungsquote der unter Dreijährigen bei durchschnittlich 40 Prozent, im Westen dagegen bei unter zehn Prozent. Erschreckende 80 Prozent der berufstätigen Paare sind im Westen auf eine außerinstitutionelle Kinderbetreuung angewiesen, wie eine Studie des Deutschen Jugendinstituts besagt. Es gibt also viel zu tun.

Wie viel der Betreuungsausbau kosten wird, ist aber noch lange nicht klar. Von der Leyen hat schon mal vorsichtig mit drei Milliarden Euro im Jahr gerechnet. Noch viel unklarer ist allerdings, woher das Geld kommen soll. Das bisherige Finanzierungskonzept ist jedenfalls dank Hartz IV schon wieder zusammengebrochen.

Was liegt also näher, als nach billigen Lösungen zu suchen? Man könnte ja ein Drittel der 500.000 zusätzlichen Betreuungsplätze durch Tagesmütter abdecken, meinte von der Leyen kürzlich. Raffiniert ausgedacht, denn die haben ihre Wohnung ja schon und kosten auch sonst wenig Geld. Im Moment.

Denn wenn man den Vorschlag heute noch mal auf dem Rechenschieber nachprüft, wird man darauf kommen, dass man für zusätzlich etwa 170.000 Kinder Tagesmütter bräuchte. Zur Verdeutlichung: Im Moment gibt es offiziell etwa 30.000 Tagesmütter, die 33.000 Kinder unter drei Jahren betreuen.

Für die zusätzlichen 170.000 Kinder kann man aber nicht einfach Mütter zu Tagesmüttern erklären, weil man als Mama ja eh schon weiß, wie man aus einem kleinen Schreihals einen wortgewandten Jungakademiker macht. Tagesmütter brauchen Kenntnisse in Pädagogik, Recht und Spracherziehung. Sie müssen wissen, was die Entwicklung der Kinder fördert und ihr Denken anregt – und sie nicht einfach uninspiriert durch die Wohnung krabbeln lassen und sich dabei ins Sudoku-Heftchen vertiefen. Ganz zu schweigen davon, dass die Kinder im Umfeld der Krippen-Gruppe viel leichter soziale Kompetenzen erlernen. Viel Geld wäre nötig, um die Attraktivität des Tagesmutter-Jobs und die Qualität der Erziehung zu steigern. „Für die Tagespflege ist von den drei Milliarden aber kein einziger Euro eingeplant“, meint Klaus-Dieter Zühlke, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Tagesmütter.

Sein Verband fordert, dass alle Tagesmütter einen Qualifizierungskurs von mindestens 160 Stunden durchlaufen. Nur acht Prozent der Tagesmütter haben einen solchen derzeit vollständig absolviert. Wohl als Zeichen für ihren guten Willen dürfen sie aber schon nach 30 Unterrichtsstunden Kinder betreuen.

Attraktiv ist der Job ohnehin nicht, dafür ist er einfach zu schlecht bezahlt. Meist bekommt man nur um die drei Euro pro Kind. Auch ein Grund dafür, dass es hierzulande nur 795 Tagesväter gibt. Wenn man die Zahl der Tagesmütter wirklich vervielfachen will, müsste man auch den Lohn erhöhen, mindestens auf die vom Tagesmütter-Bundesverband gewünschten 5,50 Euro. Aber damit wäre die billige Lösung natürlich wieder passé.

Unausgebildeten Tagesmüttern würden so viele Eltern ihr Kind aber kaum anvertrauen. Es wäre also ein gigantisches Qualifizierungsprogramm nötig. Man darf gespannt sein, wie die große Koalition diese Massenuni für Tagesmütter finanzieren will. Damit sich auch jeder eine Tagesmutter leisten kann, müsste man die Jugendämter überdies mit deutlich mehr Geld ausstatten.

Und selbst wenn alle Tagesmütter ausreichend qualifiziert wären: Wer kontrolliert eigentlich die Entwicklung und Behandlung der Kinder? Während in Betreuungseinrichtungen zumindest die Kolleginnen ein waches Auge darauf werfen können und immer mehr penibel notiert werden muss, wird den Tagesmüttern mit blindem Vertrauen das eigene Kind anvertraut. Qualitätsmanagement ade!

Womöglich ist die Tagesmütter-Idee aber auch ganz einfach ein Hintertürchen für den „konservativen Feminismus“. Ist es denn nicht sowieso viel toller, sein Kind in die Obhut einer echten Mutti und ihres liebevoll eingerichteten Heimes zu geben, als den karrieristischen Erzieherinnen im Kindergarten, die am Ende noch nicht mal eigene Kinder haben? So heißt es womöglich schon bald: „Deutschland sucht die Supertagesmama“.

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