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Wulff isst in China Kreide

Niedersachsens Ministerpräsiden verzichtet bei seiner China-Reise bewusst auf Kritik

Er wollte gestern bewusst einen neuen Ton in der deutschen China-Politik anschlagen: „Ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Anklage“ war Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) die letzten drei Tage durch die Volksrepublik gereist und hatte sich sein Bild von China gemacht. Von wegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen: „Da ist eine Menge passiert“, belehrte Wulff die China-Kritiker in Deutschland. Von wegen Menschenrechtsverletzungen in China, wie sie gestern der Bundestag in einer Resolution anprangerte: „Das öffentliche Ankommen und Abmahnen hilft da wenig“, war sich Wulff sicher.

Dagegen setzte Christian Wulff die Erkenntnis, dass „der eigene Wirtschaftserfolg, den die Deutschen heute feierten, ganz wesentlich mit den 10 Prozent Wachstum in China zusammenhängt“. Wulff dachte dabei sicher auch an den Volkswagen-Konzern, bei dem er Aufsichtsrat ist. Der VW-Konzern will in diesem Jahr 800.000 Autos in China verkaufen. Rekord.

„Viele haben Angst [vor China, d. R.]“, ärgerte sich Wulff. Dabei galt sein Ärger auch der Berliner Politik. Wer hatte denn zuletzt das Thema Produktpiraterie zum wichtigsten Verhandlungspunkt zwischen Deutschland und China gemacht und China ein Land genannt, das sich an keine Regel hält? Natürlich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Ihr wirtschaftliches Projekt ist die Freihandelszone mit den USA. Dafür braucht Merkel China als Gegenpart, den es auszugrenzen gilt.

Gegen die Vision der Kanzlerin aber lehnen sich Wulff und auch der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) heute auf. Beide spüren den Atem vieler deutscher Unternehmer im Nacken, die in China und nicht in den zur Rezession geneigten USA investieren wollen. Sie brauchen politische Schützenhilfe aus Deutschland.

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