: Das Gerüst steht – noch
In einer aufgeheizten Atmosphäre im und um den abstiegsgefährdeten Fußball-Bundesliga-Verein VfL Wolfsburg kritisiert Geschäftsführer Fuchs eine Intervention, die zur „Destabilisierung“ führt
VON PETER UNFRIED
Es wird sich in unserer schnelllebigen Zeit kaum einer mehr erinnern, aber es hat nicht viel gefehlt, und sie hätten den VfL-Trainer Klaus Augenthaler und den Geschäftsführer Klaus Fuchs auf den Schultern durch Wolfsburg getragen. Na ja, das ist vielleicht übertrieben. Schön oder gar aufregend hat Fußball-Bundesligist VfL Wolfsburg mit Augenthaler nie gespielt. Aber nicht nur Fuchs hatte das Gefühl, es hätte „vom Ergebnis her eine gute Saison werden können“.
Dann kam Mitte April die furchtbare Woche, zunächst eine Niederlage in Cottbus, na ja. Dann das Aus im DFB-Pokalhalbfinale. Dann ein 2:3 gegen Bielefeld, als bei eigener 2:1-Führung die Saison zumindest noch solide abgehakt schien. Seither geht es zum zweiten Mal in Folge sehr konkret gegen den Abstieg.
Fuchs konstatiert nun einen „völligen Stimmungsumschwung“, konzediert berechtigten Missmut am Erreichten, hat aber zwei grundsätzliche Anmerkungen. Zum einen missfällt ihm die Absolutheit der Kritik: „Alles in Frage stellen ist das Problem.“ Zum anderen kann man sich gegen Feuer von außen besser verhalten, als wenn es auch von innen genährt wird.
VW-Kommunikationschef Stephan Grühsem ist als Aufsichtsratsmitglied der 90-prozentigen VW-Tochter VfL der Fußball-Beauftragte des Konzernchefs Martin Winterkorn. Seine Statements zur Lage, obwohl eher vage, haben mächtig Staub aufgewirbelt. Dass Manager eingreifen, wenn sie zwischen Investition und Ertrag ein Missverhältnis sehen, ist üblich. Was aber Kommunikationsprofi Grühsem mit seinem Vorstoß zum jetzigen Zeitpunkt bezweckt, ist unklar. Eine Weiterbeschäftigung des trotz einiger Skepsis lange in Ruhe gelassenen Augenthalers wird von den Lokalzeitungen ausgeschlossen. Von ihm offenbar auch, wenn man an sein 42 Sekunden langes Selbstinterview auf der donnerstäglichen Pressekonferenz denkt. Die Aufregung war groß, Augenthaler nannte es gegenüber der WAZ „Selbstschutz“.
Geschäftsführer Fuchs sagt, es sei normal, dass man eine Saison kritisch analysiere. Aber: „Das muss man zu einem Zeitpunkt tun, dass es nicht zur Destabilisierung führt.“ Also: Nicht in der Woche vor dem vorletzten Saisonspiel des Tabellenfünfzehnten VfL beim drei Punkte zurückliegenden Sechzehnten, Alemannia Aachen. Ein Punkt reicht, und der VfL spielte das elfte Jahr in Folge in der Bundesliga. Fuchs’ Analyse sieht so aus, dass die„Personalpolitik schlüssig“ sei, und zwar nicht nur ihm, die Konsolidierungsarbeit am Kader nach zu vielen Trainern, zu vielen Managern in dieser Saison mit Madlung, Krzynowek und Marcelinho eigentlich vorangekommen sei. Tatsächlich kann man ein Gerüst in diesem Team sehen, das aber in wichtigen Bereichen und im Offensivspiel deutliches Steigerungspotenzial hat. Wenn dann, wie zuletzt, die Innenverteidigung nicht funktioniert, wird es eng. Deshalb gibt es in Aachen heute ein Playdown-Halbfinale. Und da fragt Augenthaler den Augenthaler: „Ist die Mannschaft dem Druck gewachsen?“ Augenthalers Replik: „Die Mannschaft wird die Antwort auf dem Platz geben.“ Warten wir’s ab. Interessant wird, was passiert, wenn Wolfsburg verliert.
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