: Wiener Tristesse
Natalie Tenbergs Gastrokritik: Im Bistro Sarah Wiener könnte die Chefin dafür sorgen, dass unter ihrem Namen nicht Stümperei serviert wird
Wie leidenschaftlich wurde diskutiert, ob die Akademie der Künste am Pariser Platz in Mitte ein Aquarium oder ein Meisterwerk sei. Zur Klärung der wirklichen Virtuosität des Architekten hätte ein Besuch beim Behnisch-Bau in Krefeld beitragen können, ein von allen Seiten erschlagendes Gebäude, an dem das Schönste die Tiefgarage ist. Nein, dagegen ist die Akademie der Künste prächtig, sie ist keine Investitionsruine und man findet den Eingang.
In Sarah Wieners Bistro im Erdgeschoss kann man sich trotz der grau-bunten Aufmachung schnell an jene provinzielle Trostlosigkeit herantasten. Nicht die massive Präsenz von Beton und Glas schwören die Tristesse herbei, sondern die Speisen. Auch wenn man auf grau-melliertem Boden unter der Treppe im Durchgang sitzt, die roten Tische, die großen Pflanzen und der Sonnenschein mildern die Kühle des Raums ab.
Die Klientel, die sich in diesem, nennen wir es: Flur zusammengefunden hat, sieht aus wie jene, die an der VHS „Du und dein Handy“-Kurse belegt: älter, etwas unsicher, aber wissbegierig. Die Bedienung, ein freundlicher junger Mann, könnte den Senioren prima erklären wie ein Mobiltelefon funktioniert, er beherrscht seins aus dem Effeff. Nur wenn Handy und Festnetztelefon gleichzeitig schellen, gerät er in Stress, beide Hörer lassen sich jedoch beim Bedienen mal schnell zur Seite legen.
Den Bagel mit Lachs und Frischkäse für 3,40 Euro möchte man nach einem Bissen liegenlassen und zum Starbucks gegenüber wechseln. Beim Verkosten des Sandwichs wünscht man sich ins benachbarte Adlon. Man würde ja nicht erwarten, dass Sarah Wiener hier persönlich die Stulle buttert, dass die aber sonst omnipräsente Köchin ein Auge auf die Qualität im eigenen Lokal wirft, wäre schon zu erwarten. Selbst ein beliebiges Tankstellensandwich schmeckt besser als das trockene Etwas, das einem hier vorgesetzt wird, Qualität der Zutaten hin oder her, wenn das Brot trocken ist, dann ist’s zu trocken. Der Bagel ist genauso bröselig wie das Brot, darüber täuscht auch die Extralage Meerrettich nicht hinweg. Ein wenig versöhnt der New York Cheesecake, ein fester, frischer Käsekuchen, den Gesamteindruck retten kann er nicht. Insgesamt ist das Bistro nicht nur enttäuschend, sondern peinlich. Die Akademie der Künste sollte sich doch etwas Anspruchsvolleres ins Haus holen, oder Sarah Wiener könnte dafür sorgen, dass solche Stümpereien nicht unter ihrem Namen laufen. So wie es ist, reicht es jedenfalls nicht.
BISTRO SARAH WIENER IN DER AKADEMIE DER KÜNSTE, Pariser Platz 4, 10117 Berlin, Tel. (0 30) 2 00 57 17 23, www.sarahwiener.de, S-Bhf. Unter den Linden, Mo.–So. 10–18 Uhr, Latte macchiato 3,30 €, Cola 2,10 €, Tagessuppe 4,50 €, New York Cheesecake 2,90 €
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen