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Ärzte versuchen ihren Patienten immer mehr Behandlungen für teures Geld zu verkaufen

BERLIN taz ■ Es klang wie eine Drohung: „Der Preis, den Patienten und Ärzte zahlen werden, ist hoch“, verkündete der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, gestern zum Auftakt des 110. Deutschen Ärztetages. Der Funktionär schimpfte wieder einmal auf die Gesundheitsreform, das beliebteste Schmähobjekt der deutschen Ärzte. Über 400.000 Ärzte vertritt das Berufsparlament. Hoppe zufolge würden sie ihre Patienten infolge der seit April wirkenden Reform nicht mehr angemessen versorgen können. Er kündigte eine Informationskampagne in den Wartezimmern an. Wie diese aussehen soll, stehe noch nicht fest, sagte Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. Er verspricht aber: „Es wird kein Wartezimmer-TV geben.“

Doch obwohl die Inhalte der Kampagne noch nicht klar sind, besteht die Gefahr, dass die Ärzte Patienten vermehrt zur Kasse bitten wollen – mit Verweis auf die Gesundheitsreform natürlich. Bereits jetzt würden Kassen-Leistungen von manchen Ärzten privat berechnet, berichtet Patientenberaterin Judith Storf. Ultraschalluntersuchungen etwa, die nach einem konkreten Krebsverdacht anstünden. „Da wird viel mit Angst gearbeitet“, sagt Storf.

Obwohl 90 Prozent der Bürger gesetzlich versichert sind, stammen nur 65 Prozent des Umsatzes einer durchschnittlichen Praxis aus den gesetzlichen Kassen, zeigt eine Ärztebefragung der Stiftung Gesundheit. Mediziner bessern ihr Einkommen mit der Behandlung von Privatpatienten auf. Auch Leistungen, die sich Kassenpatienten extra dazukaufen können – sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) –, schlagen vermehrt zu Buche. Derzeit machen sie fünf Prozent des Praxisumsatzes aus. „IGeL-Leistungen nehmen zu“, sagt Klaus Zok, der den Markt im Auftrag des Wissenschaftlichen Instituts der AOK erforscht.

„Wenn ich auf Vorträgen frage, wem schon einmal eine solche Leistung angeboten wurde, melden sich etwa 70 Prozent der Anwesenden“, berichtet Storf. Patienten würden über die Behandlungen sehr unterschiedlich aufgeklärt. Viele beschwerten sich, dass sie erst hinterher von den Kosten erführen. „Wenn vorher nichts schriftlich vereinbart worden ist, brauchen solche Rechnungen nicht bezahlt werden“, sagt Storf. Sie rät den Patienten, sich bei ihrer Kasse oder Patientenberatungsstellen genau zu informieren, welche Leistungen die Kassen bezahlen. ALE

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