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Ein „britisch“ kühler Premierminister

An Frankreichs Regierungsspitze kommt es zu einem Stilwechsel. Der Kontrast zwischen dem für seine romantische Ader bekannten Dominique de Villepin, der sich gern als „Husar der Republik“ fühlte und aufführte, und dem ruhigen, zu Vorsicht neigenden François Fillon ist krass. Der neue Premierminister ist für französische Verhältnisse geradezu „britisch“ kühl und ausgeglichen. Er gilt als das komplementäre Gegenstück zum neuen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy. Im Unterschied zu diesem hatte er nicht von klein auf auf davon geträumt, eines Tages Präsident zu werden.

Wie Sarkozy hatte auch Fillon sich sehr jung der gaullistischen Bewegung angeschlossen und zielstrebig alle Stufen bis hinauf in die Pariser Regierungsetage erklommen. Dabei gelang es ihm, das Image eines Provinzpolitikers und „Gentleman Farmers“ zu wahren. Er wohnt mit seiner aus Wales stammenden Frau und seinen fünf Söhnen bis heute auf einem Landgut in der Nähe von Le Mans, wo seine Gattin Pferde züchtet. Ganz in der Nähe kam Fillon am 4. März 1954 auf die Welt. Seine Mutter war Englischlehrerin und Historikerin, sein Vater Notar. Der praktizierende Katholik Fillon absolvierte seine Schulzeit in religiösen Privatschulen, studierte dann Jura in Le Mans und Paris. Da er aber Journalist werden wollte, studierte er auch noch Politische Wissenschaften.

Ebenfalls wie Sarkozy gehört er zu den Politikern, die nicht von der Kaderschmiede der Verwaltungshochschule ENA oder einer anderen Eliteschule für eine Spitzenkarriere vorbereitet wurden, sondern er musste sich hinaufarbeiten: Parlamentarischer Assistent, Abgeordneter, Bürgermeister von Sablé, Vorsitzender der Region Pays de la Loire, Senator. Bereits fünfmal hat Fillon seit 1993 Ministerämter bekleidet. Ihm verdankt Frankreich eine Rentenreform von 2004; eine Mittelschulreform aber scheiterte 2005 am Widerstand der betroffenen Jungen, für die er bis heute ein Buhmann ist.

Dass er im Juni 2005 nach dem Debakel beim EU-Verfassungsreferendum aus der Regierung geflogen ist, hat Fillon nie verdaut. Kurz darauf sagte er rachsüchtig: „Von Chirac wird nichts in Erinnerung bleiben … außer meinen Reformen.“ In seinem 2006 erschienenen Buch „Frankreich kann die Wahrheit ertragen“ forderte Fillon nun liberale Strukturreformen und einen politischen Bruch mit der zögerlichen Politik der Chirac-Jahre. Was Sarkozy oft provokativ gesagt hat, will jetzt Fillon, mit seiner legendären Umsicht, als Regierungsprogramm verwirklichen. Ein Parteifreund verrät: „François [Fillon] ist ein Mann der Macht, und er weiß, dass die wirkliche Macht im Schatten ausübt wird.“ RUDOLF BALMER

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