: Sicherheitswahn macht Attac reich
Seit die Polizei die G-8-Gegner mit immer neuen Mitteln gängelt, klingelt beim globalisierungskritischen Netzwerk Attac die Kasse. Gegen die jüngsten Demoverbote im Umland von Heiligendamm wollen die Betroffenen nun vor Gericht ziehen
AUS BERLIN DANIEL SCHULZ
Die Globalisierungskritiker werden gegen die Beschränkungen der Versammlungsfreiheit beim G-8-Gipfel in Heiligendamm klagen. „Die Polizei beschneidet demokratische Grundrechte, und das ist für uns nicht hinnehmbar“, sagte Werner Rätz aus dem Koordinierungskreis von Attac. Das Netzwerk will jedoch nicht selbst aktiv werden, sondern die Klage der Organisatoren eines Sternmarschs unterstützen.
Bis gestern wollte der Hamburger Anwalt Carsten Gericke beim Schweriner Verwaltungsgericht einen Eilantrag gegen die Einschränkungen einreichen. Bis Redaktionsschluss lag dieser dem Gericht jedoch noch nicht vor. „Der Anwalt hat allerdings noch die nächste Woche Zeit“, sagte Günther Wittchow, Vizepräsident des Gerichts. Der Klägeranwalt arbeitet für die Kanzlei der Rechtsanwältin Ulrike Donat, die seit 20 Jahren soziale Bewegungen vor Gericht vertritt. So hat sie mehrere Urteile zugunsten der Antiatombewegung im Wendland erstritten.
Von vier Orten aus wollen G-8-Kritiker am 7. Juni sternförmig nach Heiligendamm ziehen. Die Polizei schränkte jedoch in dieser Woche die Demonstrationsfreiheit mehrere Kilometer um Heiligendamm ein (taz vom 18. 5. 2007). Der Sternmarsch wurde sogar noch einmal extra untersagt. „Die Klage richtet sich gegen beide Beschlüsse“, sagte Rätz, der einen der Demonstrationszüge anführen wollte. Er erwarte, dass das Schweriner Gericht veranlassen werde, die Beschränkungen der Polizei wieder aufzuheben.
Die Polizei begründet ihr Demoverbot mit Sicherheitsbedenken. „Wir müssen ausschließen, dass es zu Ausschreitungen und Anschlägen kommt und die Konferenz dadurch gestört wird“, sagte Jörg Ziercke, Chef des Bundeskriminalamtes gestern der Welt. „Die Polizei schafft doch erst ein Klima, von dem sich Krawallmacher angezogen fühlen könnten“, sagte dagegen Sven Giegold, der ebenfalls im Koordinierungskreis von Attac sitzt. „Mit dem Beschwören der Bedrohung durch gewaltbereite G-8-Gegner wertet die Polizei die auf, die sie bekämpfen will.“
Allerdings haben die Aktionen der Behörden für Attac derzeit nicht nur schlechte Folgen. Im Gegenteil: Nach den Großrazzien gegen angeblich militante G-8-Gegner in der vergangenen Woche bekam das Netzwerk nach eigenen Angaben ein Vielfaches der üblichen Spenden. „Wir hatten bis Ende Mai damit gerechnet, 100.000 Euro einzunehmen“, sagt Giegold, „bis zum 16. Mai waren es schon über 40.000 Euro mehr.“ Zudem habe die Organisation in nur zwei Tagen nach der Razzia 100 neue Mitglieder aufgenommen. So viele Menschen kommen sonst in einem Monat zu Attac.
Unterdessen hat die Vizechefin der Linkspartei, Katja Kipping, eine aktuelle Stunde zum Umgang der Behörden mit den G-8-Protesten in der nächsten Parlamentssitzung angekündigt. Und der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, will das Vorgehen der Polizei in „der nächsten Sitzung ebenfalls zum Thema machen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen