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Die Töne an der Streikbasis werden rauer

Seit eineinhalb Wochen streiken bis zu 16.000 Telekombeschäftigte gegen Lohnkürzungen. An der Streikbasis brodelt es: Leiharbeiter würden als Streikbrecher eingesetzt, der Konzern verschicke Drohbriefe, heißt es. Kein Ende des Ausstands in Sicht

AUS BERLIN RICHARD ROTHER

Vor der Telekom-Niederlassung in Berlin-Tegel macht sich Unmut unter den Streikposten breit. „Da drüben stehen und rauchen sie in den Pausen immer, die Luzen“, schimpft ein Streikposten der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Er sagt „Luzen“. Und so abfällig, wie das Wort klingt, ist es auch gemeint: Luz steht für die Leih- und Zeitarbeitnehmer, die bei der Telekom derzeit eingesetzt werden. Für die im Ausstand stehenden Telekom-Beschäftigen sind sie nichts anderes als Streikbrecher.

Der Ton an der Basis der Streikfront wird rauer – auch weil sich viele Telekommitarbeiter durch Mahnbriefe des Konzern unter Druck gesetzt fühlen, die sie zur Aufnahme von Notdiensten verpflichten.

Seit eineinhalb Wochen streiken bundesweit bis zu 16.000 Beschäftigte der Telekom. Mit dem Ausstand wollen sie die Auslagerung von 50.000 Arbeitsplätzen verhindern. Die betroffenen Beschäftigten sollen dann für deutlich weniger Lohn länger arbeiten. Der Konzern begründet die Pläne damit, seine Personalkosten seien im Vergleich zur Konkurrenz zu hoch. Ein Ende des Streiks ist nicht in Sicht.

Die Leiharbeitnehmer in Berlin-Tegel lassen sich an diesem Nachmittag zunächst nicht blicken. Nur die Zigarettenstummel rund um eine Steinbank zeigen, dass sie da gewesen sein müssen. Später, als der Streikposten seine Schicht pünktlich beendet, kommen sie in kleineren Grüppchen aus dem Gebäude. „Man hat schon ein schlechtes Gefühl, wenn man als Streikbrecher eingesetzt werden soll“, sagt einer der Leiharbeiter. Seinen Namen möchte er, wie die anderen auch, nicht in der Zeitung lesen. „Ich brauche das Geld“, meint ein anderer, der sich aber nicht als Streikbrecher fühlt. Die Tätigkeit bei der Telekom hätten sie Ende April, also noch vor Beginn des Ausstandes, aufgenommen. Sie kommen von der Firma Adecco. Die habe sie schriftlich darauf hingewiesen, dass sie nicht in einem bestreikten Betrieb arbeiten müssten, berichtet ein weiterer Leiharbeiter. Wer nicht wolle, werde auf eine andere Stelle versetzt. Manch einer der Betroffenen hegt allerdings Zweifel. „Wenn ich nicht hier arbeiten würde, könnte ich fliegen“, fürchtet einer. Direkt gedroht worden sei ihm jedoch nicht.

Adecco-Sprecherin Tanja Siegmund betont, dass der Arbeitseinsatz bei der Telekom freiwillig sei. Darauf werde jeder Leiharbeitnehmer hingewiesen. „Bislang hat sich aber noch keiner auf eine andere Stelle versetzen lassen“, so Siegmund. „Das ist eine persönliche Entscheidung.“ Im Übrigen überlasse Adecco der Telekom keine Streikbrecher. Die dort Beschäftigten seien vor Streikbeginn angefordert worden. „Seitdem setzen wir keine zusätzlichen Kräfte ein.“

Mit diesen Hinweisen erfüllt Adecco schlicht die Vorgaben des Arbeitsnehmerüberlassungsgesetzes. Demnach ist ein Leiharbeitnehmer nicht verpflichtet, „bei einem Entleiher tätig zu sein, soweit dieser durch einen Arbeitskampf unmittelbar betroffen ist“. Im Fall eines Arbeitskampfes müsse der Verleiher den Leiharbeitnehmer auf das Recht hinweisen, die Arbeitsleistung zu verweigern.

Ver.di-Streikleiter Ado Wilhelm hegt dennoch Zweifel. „Immer wieder werden Leiharbeitnehmer unter Druck gesetzt, von ihrem Recht auf Arbeitsverweigerung keinen Gebrauch zu machen.“ Allerdings seien Leiharbeiter in bestreikten Betrieben oft wenig produktiv. „Die stiften eher nur Unordnung.“ Sorge bereitet Wilhelm hingegen das Vorgehen der Telekom gegenüber den eigenen Beschäftigten. So habe der Konzern mehr als hundert Ermahnungen an Kollegen verschickt, die sich weigerten, für Notdiensteinsätze zur Verfügung zu stehen. Hintergrund sei, dass diese sogenannten Notdiensteinsätze oft nichts mit wirklichen Notfällen zu tun gehabt hätten. „Damit werden die Kollegen nur in Angst und Schrecken versetzt.“

Eine Vorstellung davon vermittelt die Lektüre eines solchen Ermahnungsschreiben einer Berliner Telekomniederlassung, das der taz vorliegt. Darin wird festgestellt, dass sich der betroffene Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer schriftlicher Bestellung nicht zur Aufnahme der Notdienstarbeiten gemeldet habe. „Ihr Verhalten stellt daher einen schwerwiegenden Verstoß gegen Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten dar“, heißt es in dem Schreiben. Dieses Verhalten in Form der Arbeitsverweigerung könne nicht akzeptiert werden.

„Wir legen Wert auf die Einhaltung der Notdienstvereinbarung“, begründet Telekom-Sprecher Andreas Middel das Vorgehen. Bundesweit seien etwa 1.000 Mitarbeiter für Notdienste vorgesehen. Eine Bedrohung von Mitarbeitern sei nicht das Ziel. „Wir haben eine Verpflichtung, unsere Notdienste einzuhalten.“

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