: Viele Kirchenaustritte nach veränderter Kirchensteuer
VERTRAUEN Gläubige fürchten um Ersparnisse, wenn Banken Steuer auf Kapitalerträge direkt abziehen
FRANKFURT AM MAIN/DÜSSELDORF/HANNOVER epd | Wegen einer Änderung im Steuerrecht kehren offenbar immer mehr Katholiken und Protestanten ihrer Kirche den Rücken. Die Zahl der Austritte aus der evangelischen Kirche ist in den vergangenen Monaten teils um mehr als 50 Prozent gestiegen, ergab eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes. Aus der katholischen Kirche traten nach Presseinformationen allein von Januar bis Juni dieses Jahres rund 10.000 Menschen in der Diözese Rottenburg-Stuttgart aus. Im gesamten vergangenen Jahr waren es 14.617.
Hintergrund ist die Kirchensteuer auf Kapitalerträge, die ab 2015 automatisch von den Banken an den Fiskus weitergeleitet wird. Die Steuer war bisher bei der Steuererklärung fällig. Künftig wird sie direkt von den Banken abgezogen. Die Steuersätze bleiben gleich. Anlass für die Umstellung sei nicht die „Erwartung etwaiger Mehreinnahmen“ gewesen, sondern der „Wunsch nach einem gerechten und einfachen Besteuerungsverfahren“, sagte der Leiter der Finanzabteilung im EKD-Kirchenamt, Thomas Begrich. Die Regelungen zu den Freibeträgen schützten die kleinen Sparer. Kirchensteuer auf Kapitalerträge wird erst ab einem Ertrag von jährlich 801 Euro für Ledige und 1.602 Euro für Verheiratete erhoben.
Der theologische Vizepräsident der westfälischen Landeskirche, Albert Henz, betonte, die Menschen sorgten sich aufgrund mangelnder Informationen um den Datenschutz und ihre Ersparnisse. Diese Sorge sei jedoch unbegründet. Niemand zahle mehr Steuern als bisher, zudem sei ein Großteil der Bevölkerung nicht von der Kapitalertragsteuer betroffen. Ein Sprecher der bayerischen evangelischen Landeskirche nannte es auffällig, dass immer mehr Menschen über 65 Jahren austräten. Er könne sich vorstellen, dass diese Altersgruppe besorgt um ihr Erspartes für den Ruhestand sei.
Ralf Meister, Bischof aus Hannover, sagte, „dass wir stärker als bisher nach den Gründen der Austritte fragen und gleichzeitig die Leistungen und Aufgaben der Kirche besser vermitteln müssen“. In Deutschland leben gegenwärtig rund 24,2 Millionen Katholiken und 23,4 Millionen evangelische Christen. Ihr Anteil an der Bevölkerung liegt bei rund 60 Prozent.
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