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Lebenslänglich trotz Begnadigung

■ Straftäter in den USA laufen Gefahr, auch nach der Freilassung weiterhin hinter Gefängnismauern leben zu müssen, weil sich ihre Mitbürger bedroht fühlen

Aus St. Paul Tina Glitz

Eigentlich sollte Larry Singleton schon längst auf freiem Fuß sein. Aber weil ihn keine Gemeinde als ihren Mitbürger haben will, lebt der auf Bewährung entlassene Straftäter seit Anfang Juni innerhalb der Gefängnismauern des berüchtigten Hochsicherheits–Zuchthauses San Quentin - in einem Wohnmobil. Über einen Monat lang suchten die Behörden umsonst nach einem Wohnsitz für Singleton, der wegen Entführung, Vergewaltigung und versuchten Mordes zu vierzehn Jahren Haft verurteilt worden war. Die Brutalität seines Verbrechens - er vergewaltigte 1979 ein 15jähriges Mädchen und hackte ihr dann beide Arme ab - hat Bürger, die ohnehin schon durch die alarmierend ansteigende Kriminalität verunsichert und mißtrauisch sind, aufgeschreckt. Als die Freilassung von Singleton bekanntgegeben wurde, wollten sie eines verhindern: daß der Straftäter - obwohl er bei den Behörden als solcher gemeldet wäre und unter Beobachtung stünde - sich in ihrer Nähe niederläßt. Sechsmal vereitelten aufgebrachte Bürger verschiedener nordkalifornischer Kleinstädte die Versuche der Behörden, Singleton anonym in ihren Gemeinden unterzubringen. Vor drei Wochen versammelte sich in Rodeo ein aufgebrachter Mob, nachdem die Vermieterin eines Apartmenthauses ihre Vemutung öffentlich kundtat, daß es sich bei dem neuen Mieter möglicherweise um den entlassenen Straftäter handelte. 500 aufgebrachte Menschen verlangten, daß „der Hacker“ auf der Stelle der Stadt verwiesen wird. Schließlich wurde Singleton, mit Panzerweste bekleidet und von Polizisten schützend umringt, wieder abgeführt. Eine Woche später wiederholte sich Ähnliches in einem benachbarten Ort. Hundert Einwohner versammelten sich vor einem Motel und forderten den sofortigen Abtransport von Singleton. Wie ernst es ihnen mit ihren verbalen Drohungen war, unterstrichen ihre Transparente und Parolen: „Concord ist keine Müllhalde für Abschaum“, verkündeten die einen, „Tötet ihn!“, verlangten die anderen. Der Gouverneur von Kalifornien steht offensichtlich auf der Seite der Bürger. Wenn er entscheiden könnte, gab George Deukmejian unlängst bekannt, würde der 59jährige den Rest seines Lebens hinter Zuchthausmauern verbringen. Deukmejians Lösung des Problems kommt seinen Wunschvorstellungen schon sehr nahe: nicht nur wird Singleton auf dem Gelände von San Quentin wohnen, er wird dort unter ständiger Beobachtung stehen und bei seinen „Ausgängen“ immer von Beamten begleitet sein. So soll die Öffentlichkeit geschützt werden. Deukmejian nutzt die Aufregung, um für eines seiner - schon einmal vom Landesparlament abgelehnten - „Projekte“ zu werben. Er hat eine Änderung der kalifornischen Verfassung beantragt, die dem Gouverneur das Recht zusprechen würde, vorzeitige Entlassungen von Straftätern (“auf Bewährung“) rückgängig zu machen. Sofern dies eine „unzumutbare Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darstelle“. Daß Deukmejians Entwurf bei kalifornischen Bürgern Zuspruch haben wird, zeigt der Fall Singleton deutlich.

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