Boykotteursjagd im Altenheim

■ Zwangsgeldvollstrecker brachen die Tür einer 88jährigen Altenheimbewohnerin auf und nahmen ihre Handtasche als Pfand für gesuchten Volkszählungsbogen mit

Einer besonders hartnäckigen Volkszählungsboykotteurin schienen letzte Woche die Vollstreckungsbeamten des Tiergartener Finanzamts auf die Schliche gekommen zu sein. Freundliche Ermahnungen hatten die Boykotteurin nicht erschüttert, Zwangsgeldandrohungen wurden völlig ignoriert, Pfändungsankündigungen nicht zur Kenntnis genommen. Am letzten Mittwoch nun schritten die Zwangsgeldvollstrecker kurz zuvor gerade beim illegalen Schnüffeln in Steuerakten zurückgepfiffen - zur Tat.

„Ohne Unterscheidung der Person“ brachen die Vollstrecker unter der freundlichen Beihilfe einer Schar grüner „Freunde und Helfer“ gewaltsam die Wohnungstür der 88jährigen Else B. im Altenheim Spenerstraße in Moabit auf. Nach dem Motto „frisch gesägt ist halb gepfändet“ flog das Schloß aus der Tür. In der Wohnung der alten Dame konnten die Staatsdiener als Pfand für den kostbaren, bisher nicht eingegangenen grün -blauen Volkszählungsbogen der Handtasche der Rentnerin habhaft werden. Die Tasche wurde als „gepfändet“ einkassiert. Ein neues Schloß und reichlich Sägespäne hinter sich lassend, zogen die Zwangsvollstrecker und ihre uniformierte Begleitung mit der ledernen Beute von dannen.

Die 88jährige Dame, die nach Angaben der Pfleger des Altenheims schon lange sehr zurückgezogen gelebt hatte, traute sich danach nicht mehr, an die Tür zu gehen. Sie hatte offenbar die amtlichen Schreiben des Volkszählungsamtes nicht verstanden oder einfach ignoriert. Sowohl aus der Wohnanschrift „Seniorenheim“ als auch aus den vorliegenden Pfändungsunterlagen hätten die Vollstrecker ohne Mühe entnehmen können, daß es sich bei ihrem Pfändungsopfer um eine alte Dame handelt, die - wohl kaum zum harten Kern der Vobos gehörend - über den Polizeieinsatz in ihrer Wohnung völlig in Auflösung geraten würde.

taz