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Stürmischer Jubel für den Rechtsausleger

Jörg Haider begeisterte auf einem FDP-Forum/ Freimut Duve (SPD) verteidigte liberale Grundsätze gegen (noch) liberale und (schon) rechtsradikale Claqueure  ■ Aus Bad Homburg Klaus-Peter Klingelschmitt

„In Zeiten permanenter rechtsterroristischer Mordversuche wird einem Mann ein Forum geboten, der das historische Dilemma des Liberalismus geradezu verkörpert: Daß nämlich der Liberalismus in Deutschland immer auch anfällig war für einen unreflektierten Nationalismus.“ Volker Hummel, persönlicher Referent des 1974 verstorbenen Journalisten und FDP-Generalsekretärs Karl-Hermann Flach, in dessen Namen der FDP-Kreisverband Hochtaunus den FPÖ-Vorsitzenden Jörg Haider zum „Disput über Korruption, Recht und Politik“ nach Bad Homburg geladen hatte, mühte sich im Vorfeld der Veranstaltung vergeblich, den Auftritt des „rechten Populisten“ (Hummel) zu verhindern. Haider kam, sah und siegte bei den rund 500 ( noch) liberalen und (schon) rechtsradikalen ZuhörerInnen im Saal des Bürgerhauses von Bad Homburg-Kirdorf.

Da wurde der Sozialdemokrat Freimut Duve auf dem Podium von den jungen Aufsteigern und alten „Lodenröcken“ im Auditorium niedergeschrien, als er von der „rechtsradikalen Blutspur durch Deutschland“ sprach und bei Disputanten und Publikum die kollektive Verurteilung der „Gewalt deutscher Staatsbürger gegen Ausländer“ einklagte. Und da wurde im Gegenzug Haiders Konter auf die schlichte Feststellung des Sozialdemokraten, daß der Österreicher den „Brandstifter Schönhuber über den Klee gelobt“ habe, frenetisch beklatscht: „Lieber einen rechten Politiker als einen linken Phrasologen!“

„Die Stimmung hier ist beängstigend“, stellte denn auch ein junges Mitglied der Jüdischen Initiative aus Frankfurt/ Main am Saalmikrophon fest. Haider redete Klartext: Das Hauptproblem der Deutschen seien nicht die Lasten der Wiedervereinigung, sondern die „Wirtschaftsasylanten und die Scheinasylanten“. Und die „illegalen Ausländer“, so Haider weiter, bildeten einen „Hort der Kriminalität“. Da klatschten sich die braven BürgerInnen der Nobelmetropole Bad Homburg vor Begeisterung auf die Schenkel. Mann hat schließlich – wie einer der Yuppies in der Lounge seinen Freunden mitteilte – „keinen Bock mehr, immer über die Zigeuner zu stolpern, wenn man die Herzdame zum Essen ausführt“. Ein anderer schwärmte schon vom „neuen Nationalliberalismus“ und warnte eindringlich vor den „bösen Folgen von Maastricht“. „Deutschland zuerst!“ war auch der Leitartikel der rechten Jungen Freiheit übertitelt, die im Bürgerhaus von Haiders Spezln fleißig verteilt wurde.

In Sachen Maastricht forderte Haider eine „Volksabstimmung“. Daß seine Partei in Österreich eine Volksabstimmung über die „Ausländerfrage“ initiiert, verschwieg der in Kärnten wegen seiner Begeisterung für die „Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“ abgewählte Ex-Landeshauptmann. Es war Duve, der einen Volksentscheid „in einer solch diffizielen Frage und in einer solchen Situation“ für „mit liberalen Prinzipien unvereinbar“ erklärte. Duve hatte auch auf dem Podium einen schweren Stand. Mit dem rechtslastigen Soziologen Erwin Scheuch aus Köln, der als „Korruptionsexperte“ geladen war, und einem im Haiderschen Sinne extrem parteiischen Moderator verfügte der „Alpen-Jörgl“ über verbalen Flankenschutz. Nur der rheinland- pfälzische FDP-Fraktionschef Hermann Dieckvoss verteidigte – zusammen mit Duve – die „durchaus kritikwürdige Parteiendemokratie“ gegen den Versuch der Rechtspopulisten, das politische System der Bundesrepublik als „Augiasstall“ darzustellen, den es „auszumisten“ gelte – „um daraus politisches Kapital zu schlagen“ (Duve). Gerade Flach, so Duve, sei nie „unter der falschen Flagge der populistischen Biedermeierei“ gesegelt. Es war der zappelige Professor Scheuch, der eine Hausfrau aus dem Publikum, die vom „Mißbrauch“ des Namens von Karl- Hermann Flach sprach, unter tosendem Beifall barsch abkanzelte: „Das ist die Arroganz der Minorität.“ Die „Minorität“ arbeitete sich am Ende der Veranstaltung geduldig am Saalmikrophon ab. Mit Buhrufen quittierte das Auditorium den Redebeitrag einer jungen Frau, die der FDP vorwarf, mit der „Haider-Tournee durch Deutschland“ die Partei dem politischen Mainstream anpassen und dem liberalen Konservatismus Tür und Tor öffnen zu wollen. Dagegen durften der Frankfurter NPD-Vorsitzende und der Chef der hessischen „Republikaner“ ungestört ihre abstrusen „Anti-Korruptions- Thesen“ vortragen. Die griffigste Formulierung hatte dann aber Haider selbst im Angebot: „Nur anständige Menschen ohne materielle Bedürfnisse dürfen Politik machen.“ „Haider, eine Waschmittelwerbung – weißer geht's nicht mehr“, kommentierte ein Rechtsreferendar die gesamte „makabere Veranstaltung“. Draußen vor der Tür hatten Hunderte von Demonstranten aus dem autonomen- und grün-alternativen Lager friedlich gegen den Auftritt von Haider protestiert.

Siehe auch Seite 10

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