: Keine Chance für Torwart Cheops
„Höher, weiter, schneller“ vor fünftausend Jahren: Sport im alten Ägypten Der Ball war auch schon in Sakkara rund ■ Aus Kairo Karim El-Gawhary
Weiter Abschlag Ramses I., Thutmosis nimmt den Ball direkt in der linken gegnerischen Hälfte an, ein sauberer Paß zu Nofretete, fast hätte Amenophis III. seinen Fuß noch dazwischen gesetzt, doch Nofretete arbeitet sich durch ein geschicktes Dribbling bis zum Elfmeterpunkt vor – Bilderbuch- Doppelpaß mit Echnaton, und Nofretete setzt den Ball in die obere rechte Torhälfte, genau passend unter die Latte, wie es eben nur eine göttliche ägyptische Pharaonin vermag. Keine Chance für Torwart Cheops.
Auch die Pharaonen vor 5.000 Jahren kannten sie schon, die „spielerische Selbstentfaltung und am Leistungsstreben orientierte Form menschlicher Betätigung, die der körperlichen Beweglichkeit dient“ (dtv-Lexikon), kurz gesagt: den Sport.
Die altägyptischen Herrscher wußten bereits von der Wirkung von Brot und Spielen auf ihr Volk. Regelmäßig organisierte sportliche Veranstaltungen gehörten zur Tagesordnung. Boxen, Ringen, Gewichtheben, Hochsprung, Schwimmen, Rudern, Jagen, Gymnastik und Ballspiele – an Sportarten mangelte es nicht.
Wir wissen nicht, ob schon damals Boxer vom Schlage Muhammad Alis in den Boxring traten. Auch von verschiedenen Gewichtsklassen ist nichts überliefert. Aber eines ist sicher: Boxszenen sind auf mehreren Grabreliefs nachgewiesen. Etwa im Totentempel Ptahhotep innerhalb des Stufenpyramiden-Komplexes von Sakkara, wo die Wandreliefs in einer Präzision gearbeitet sind, die fast der von Wandteppichen gleichen. Einer der Kontrahenten setzt zum Schlag an, während der andere gekonnt die Schläge abwehrt und sein Gesicht in Deckung bringt.
Auch Gewichtheben war pharaonisch angesagt. Schwere Säcke mit Sand ersetzten damals die Gewichte und Hanteln heutiger anabolischer Gewichtheber. Die Säcke mußten mit einer Hand hochgehoben werden. Jeder Versuch, bei dem es gelang, den Sack für kurze Zeit oben zu halten, zählte als erfolgreich.
„Höher, weiter, schneller“ war schon vor 5.000 Jahren das leichtathletische Ziel. Etwa im Hochsprung: Zwei Spieler bildeten eine Hürde, über die ein dritter springen mußte, ohne sie zu berühren. Bei jedem erfolgreichen Sprung erhöhte sich die menschliche Latte. Ob ein Sportler ähnlich dem heutigen Hochsprung drei Versuche hatte, die Hürde zu überwinden, darüber geben die Reliefs keine Auskunft.
Auch Ballspiele sind in der Gräberanlage von Sakkara abgebildet. Daß der Ball rund ist, wußten schon die Pharaonen. Hergestellt war dieser damals meist aus einer Haut, die mit Stroh gefüllt war. Bälle aus Papyrus, dem Material, das die Ägypter üblicherweise zu einer Art Papier verarbeiteten, war ebenfalls in Gebrauch. Das war wohl auch der Beginn von Sportartikel-Wegwerf-Produkten. Die Bälle fledderten nach einmaligem Gebrauch meist auseinander. Ein System, das an die heutigen Fußballmatches ägyptischer Straßenkinder erinnert, wenn zwei Teams in den engen Gassen in der Altstadt Kairos leidenschaftlich einem gefüllten Socken hinterherlaufen.
Doch zurück zu den alten Ägyptern. In Mode schien damals eine Art Hockeyspiel gewesen zu sein. Die Schläger für dieses Spiel waren aus gebogenen und am Ende abgeflachten Palmenzweigen gemacht, die fatal den heutigen Hockeyschlägern ähneln. Der Ball war bunt gefärbt. Von Zuschauerausschreitungen wie etwa in der Südkurve randalierenden Steinmetzen, die sich auf eine kleine Gruppe extra zum Spiel angereister Hohepriester stürzt, ist in den Hieroglyphen-Registern der Pharaonen allerdings nichts angemerkt.
Selbstverständlich durfte bei all dem nicht der „Unparteiische“ fehlen, der im Fall eines Streites schlichtend einzugreifen und auch sonst darauf zu achten hatte, daß alles seinen geregelten Gang geht. Es sind Reliefs erhalten, auf denen der Schiedsrichter die Arme des Gewinners nach oben reißt, so wie man das heute beim Boxen oder anderen Kampfsportarten allseits gewohnt ist.
Und wie hat schon Herodot gesagt: „Ägypten ist ein Geschenk des Nils“. Wen wundert's daß auch der Wassersport den Einzug in das pharaonische Ägypten hielt. Reliefs zeigen Ruder-Teams bei ihrem schweißtreibenden Training, während der Steuermann gelassen seine Kommandos ruft. An anderen Stellen sind Fischer abgebildet, wie sie im Nil um die Wette kraulen.
Doping-Skandale im Ausmaß heutiger sportlicher Wettbewerbe, scheinen unter den altägyptischen Sportlern kein Thema gewesen zu sein. Dafür war aber vielleicht ein wenig Magie im Spiel, wofür die alten Ägypter ihre eigenen Mixturen kannten. Falls der Gegenspieler mit Hexerei sein Ziel zu erreichen suchte, gab es ein einfaches Mittel: „Schneide den Kopf und die Flügel eines großen Skarabäus-Käfers ab, koche den Rest und lege ihn dann aus. Nehme dann den Kopf und die Flügel, tauche diese in Schlangenfett, koche anschließend das Ganze zusammen und trinke es.“ Prost!
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