: Parteinahme, Parteinahme
■ Eine Ausstellung rekonstruiert die Gründung der Ost-Akademie
Kunst, Politik und Akademie – die aktuellen Vereinigungs-Diskutanten haben sich fürs erste ausgetobt und sitzen beleidigt in den verschiedenen Ecken; Betrachter des Rührstückes können den Blick ruhig zurückschweifen lassen: „Die Regierung ruft die Künstler“ – in der Ecke links vom Eingang der Kunstakademie am Hanseatenweg sind die Anfänge der „Deutschen Akademie der Künste“ (DDR) dokumentiert. Eine Ausstellung über den Akademieaufbau im Westen Berlins soll sich anschließen.
Die Ausstellung, von Sabine Wolf konzipiert, beginnt im Ausland. Sie verweist auf die Initiativen emigrierter deutscher Künstler in Mexiko, den USA, Argentinien, Palästina und den Sonderfall des „Nationalkomitees Freies Deutschland“ in der UdSSR. Dazugelegt hat sie einen Brief Friedrich Wolfs von 1945. Der Schriftsteller erkundigt sich darin beim „W.G.St.“ (beim werten Genossen Stalin persönlich), warum er auf der Liste der Moskau-Exilanten, die nach Deutschland zurückkehren dürfen, fehlt. „Ist es, weil ich Jude bin?“, fragt er mit ängstlich- unterwürfigem Gestus, und mutmaßt weiter, ob die Partei denn kein Vertrauen zu ihm besitze und das womöglich deshalb nicht, weil er in den dreißiger Jahren mal in Amerika war.
Wolf darf zwar kurz darauf nach Deutschland übersiedeln und gehört zu den ersten, die von den Gründungsmitgliedern der „Deutschen Akademie der Künste“ hinzugewählt werden; jedoch holt sein Brief diverse Vorgeschichten aus Moskau und das Stichwort Parteisäuberung im Hotel Lux, September 1936, ins Gedächtnis.
Szenenwechsel nach Deutschland: Nach der Blockade Westberlins waren alle Bemühungen um eine Gesamtberliner Akademie endgültig gescheitert; fortan waren sich auch die Kulturverwaltungen Ost und West spinnefeind und gründeten getrennt. Im Osten wurde die Akademie dringend benötigt – als Prestigeobjekt. Darüber hinaus sollte sie „die bis heute noch fehlende ideologische Führung der Künste (...) und die würdige Vertretung fortschrittlicher deutscher Kunst im In- und Auslande übernehmen“, wie es in einem Brief der Deutschen Verwaltung für Volksbildung in der Sowjetischen Besatzungszone heißt.
Die Akademie, die nach außen als überparteiliche Institution dargestellt wurde, besitzt dann folgerichtig auch schon bei ihrer Gründung im März 1950 Strukturen, mit deren Hilfe die SED die Arbeit beeinflußt. Nicht nur, daß vornehmlich Mitglieder und Sympathisanten der SED berufen werden. Rudolf Engel, nachmals Akademiedirektor, der die Verwaltung in der Hand hat, unterhält direkten Kontakt mit der Partei – eine Verbindung, über welche 1953 die Unabhängigkeit der Akademiezeitschrift „Sinn und Form“ angetastet wird. Engel liefert Interna der Akademie an das ZK und bekommt im Gegenzug und ganz vertraulich Weisungen und Richtlinien übermittelt: Gegen die Gefahr „kosmopolitischer Entartung“ sollen die Genossen „gestützt auf die Grundsätze der marxistisch-leninistischen Ästhetik in der ersten Reihe stehen“.
„Parteinahme, Parteinahme“ fordert auch Otto Grotewohl in seiner Rede bei Gründung der Akademie, allerdings noch nicht im Namen der SED, sondern im Namen des Volkes. In dem Maße, wie sich die Macht der SED ausweitet, die Anfang der fünfziger Jahre noch längst nicht alle Fäden in der Hand hielt, ändert sich der Ton. Zumal die berufenen Künstler sich keineswegs durchweg freudig in Polit-Propagandisten verwandeln. Sie begreifen überhaupt nur langsam, daß mit „Parteinahme für die Sache der Arbeit“ (Grotewohl) gemeint ist, der SED und der Regierung beständig Beifall zu klatschen. Schon sieben Monate nach Gründung stellt Rudolf Engel in einem Bericht an das Zentralkomitee pikiert fest, daß die Akademie und ihr Präsidium „zu keiner der politisch entscheidenden Fragen Stellung genommen“ habe. Eine Reihe von „Fällen“ illustriert die Querelen. Im Verlauf der „Formalismusdebatte“ 51–53 tritt der Intendant der Staatsoper, Ernst Legal, aus der Akademie aus, die Tänzerin Gret Palucca wird reglementiert, Arnold Zweig, der erste Akademiepräsident, gibt sein Amt im April 1953 entnervt an Johannes R. Becher ab.
Die Ausstellung macht es indes schwer, sich in die Stimmung der Zeit zu versetzen. Und das, obwohl Sabine Wolf gesammelt hat, was dazu nötig ist – sofern es sich in Vitrinen packen läßt und möglichst wenig Platz verbraucht: Zeitungsartikel aus Ost und West im Jargon des Kalten Krieges, offizielle und private Briefe, Hinweise auf die politischen Hintergründe. Vitrine neben Vitrine, ein paar Schautafeln dazwischen, dicht gedrängt liegen die Dokumente nebeneinander. Pflichtübung, in der Ecke absolviert: Im schmalen Raum zwischen Gardarobe und Fensterfront im Foyer der Akademie der Künste ist kein Platz für eine Inszenierung. Aber wer sehen will, kann sehen – es lohnt sich. Friederike Freier
„Die Regierung ruft die Künstler“; eine Ausstellung bis 15.8. im Haus der AdK, Hanseatenweg 10; Di–So 10–19 Uhr, Mo ab 13 Uhr; Katalog 35 DM
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