: Der Versorgungspapst
■ Die taz-Serie zur Wahl / Heute Folge 2: Gesundheits- und Sozialsenator Ortwin Runde Von Sannah Koch
Er regiert das Versorgungswerk für Hamburgs Randgruppen: Alte, Kranke, Arbeitslose, Mittellose und Drogenabhängige, all diese Kindlein müssen mit ihren Nöten zu ihm kommen. Deshalb verfügt Sozialsenator Ortwin Runde nicht nur über den fettesten Etat der Hansestadt, er sitzt auch am sprudelnden Quell für zahlreiche lukrative Jobs. Nicht umsonst gilt die Sozialbehörde auch als das Versorgungswerk für all die treuen SozialdemokratInnen, die im Feierabendparlament nicht unterzubringen waren, sich aber dennoch um die Partei verdient gemacht haben.
So überrascht es denn auch nicht, daß Runde, wie so manch anderer aus seinem Heimatbezirk Nord, seine Behördenkarriere als Juso und wissenschaftlicher Mitarbeiter begann, als SPD-Landesvorsitzender gut für einen Amtsleiterposten war und nach Jan Ehlers Ausscheiden das Erbe der Nord-Connection als Behörden-Präses antrat. Testergebnis: Schon Rundes Wiege muß mit rotem Filz ausgelegt gewesen sein.
Arbeitsam und ausschweifend redselig läßt sich der Sozialsenator zwar gerne bei Eröffnungen sehen (und fotografieren), aber versteht es nur ungenügend, seine Politik kurz und prägnant auf den Punkt zu bringen. Unvermeidbare Konzentrationsmängel bei Zuhörern verhindern aufkeimendes Interesse an seinem Politikfeld. Runde läßt sich bei heiklen Themen und Terminen gerne von Untergebenen vertreten (siehe Drogenpolitik) und hält ansonsten immer den spitzen Finger bereit, um auf die verwerfliche Sozialpolitik der Bonner Konkurrenz (siehe ABM-Kahlschlag, Arbeitsmarktpolitik) hinzuweisen. Vom Vertreter einer Politik der klassischen Armutsverwaltung erwartet kaum einer noch wegweisende Politikmodelle, sein dickes Fell erweist sich zudem als ausgesprochen nützlich beim Aussitzen von Problemen.
Auf der Liste der austauschbaren, ministrablen Nullnummen wird sein Name aber nicht zu finden sein, da steht alleine schon seine dicke Hausmacht vor. Träumt heimlich vom Bürgermeisterposten (bei rot-grün), aber wird selbst von seinen Genossen eher als monolog- denn als dialogbegabt eingeschätzt. Das Testergebnis im Überblick: Filz: Oh ja Emissionswerte: Papier- und Terminausstoß überdurchschnittlich Leistung: Vermutlich vorhanden
Am Montag Folge 3: Eugen Wagner (Bau und Verkehr)
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