: Provokateure und Provozierte
■ Tostedter Streetworker stellt sich hinter rechte Schützlinge
Kritik verliert nicht ihre Berechtigung, indem man sich ihr in breiter Front entgegenstellt. Dieser Versuch der Konfliktentschärfung wird jedoch zur Zeit in der Samtgemeinde Tostedt in der Nordheide ausprobiert. Die dortige „Reso-Fabrik“, ein von rechtsgerichteten Jugendlichen frequentiertes Projekt, sorgte in den letzten Wochen für negative Schlagzeilen. Gestern nun versuchte der Streetworker Bernd Rutkowsky zu „demonstrieren, daß Politik und Verwaltung hinter uns stehen“, und lud zur Pressekonferenz in den Sitzungssaal der Gemeinde Tostedt. Unterstützen ließ er sich von VertreterInnen der örtlichen Polizei, der Jugendpolitik und Stadtverwaltung.
Anlaß der Kritik an der „Reso-Fabrik“ waren zwei Ereignisse. Am 31. Januar war es anläßlich eines Prozesses im Gericht zu Auseinandersetzungen zwischen Rechtsradikalen und AntifaschistInnen gekommen. Parallel dazu ließen sich vier ortsbekannte Skinheads für die Wahlen des Jugendrates aufstellen, der das örtliche Jugendzentrum (JUZ) leitet – ein bisher linkes, antifaschistisches Projekt. Ehe sie selbst Kandidaten ins Rennen schickten, hatten rechte Jugendliche das linke Zentrum immer wieder tätlich attackiert. Entsprechend provokativ wirkte ihre Kandidatur. Die JUZ-BesucherInnen protestierten. Der Jugendausschuß von Tostedt kündigte daraufhin die Benutzerordnung des Zentrums, so daß die geplanten Wahlen ins Wasser fielen.
Bernd Rutkowsky, recht distanzlos gegenüber seiner rechten Klientel und entsprechend umstritten als Sozialarbeiter, rechtfertigte die provozierende Kandidatur seiner Schützlinge gestern. „Ich finde das legitim“, urteilte er und verteidigte die Rechtsradikalen mit Hinweis auf die Demokratie: „Alle Jugendlichen von Tostedt können sich aufstellen lasen. Also auch Skins.“ Statt eine Zusammenarbeit zwischen Links und Rechts abzuwarten, hätte „die linke Seite hysterisch überreagiert“, schiebt er die Verantwortung für die Eskalation von den Provokateuren auf die Provozierten ab.
Auf Kooperation setzt auch Gemeindedirektor Volker Laubrich. Er will ein ganz neues Konzept für die Jugendarbeit in Tostedt. Wie es aussehen soll, ist noch unklar. Daran arbeitet zur Zeit noch der Tostedter Gemeindeausschuß.
Elke Spanner
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