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Der Flirt mit dem Vergolder

Von den vier mittelalterlichen Charakteren, Melancholiker, Choleriker, Phlegmatiker und Sanguiniker, münzte die Theaterwelt letzteres auf Hamlet eher selten. Die pulsierend durchblutete Gestalt eines Helden der Balance, eines in sich ruhenden Vernunftleidenschaftlers schien zu den zweifelnden Strecken in diesem Text-Parcours nicht recht zu passen. „Sein oder Nichtsein?“mit der geballten Macht der ohnmächtigen Antwort von jemand sprechen zu lassen, dem alles mit Bestimmtheit und Eleganz gelingt, vom Mord bis zum Wahnsinn, von Zorn bis zur planenden Kälte, das schien wohl selbst dem realitätsfernen Stadttheater etwas dicke.

Nicht so Kenneth Branagh. Sein Wunsch, selbst ein Hamlet für die Massen zu sein, geliebt vom knuspernden colaverklebten Kinovolk, hat ihn einen vierstündigen Film drehen lassen, in dem Hamlet der strahlende Held ist, ein Arnold Schwarzenegger fürs Abiturientenkino sozusagen. Und dafür hat Kenneth ordentlich eingekauft im Drugstore für weltberühmte Nebendarsteller: Gérard Depardieu, Charlton Heston, Jack Lemmon, Billy Crystal oder Robin Williams schmücken das Set mit ihren Kurzauftritten. Und mitten drinnen strahlt Kenneth, strahlt und strahlt. So geleckt wie sein blondes Haar mit modischem Stufenschnitt ist der ganze Mann, der ganze Film.

Um sowohl Branaghs Selbstverliebtheit als auch Shakespeares historische Folie zusammen zu bekommen, spielt der Film in einem Phantasie-Barock. Hier kann sich die Energie des Bastards voll entfalten. Der unbändige Wille zur höchsten Präsenz im Bilde schafft einen Shakespeare der Frühlingsgefühle, einen Flirt mit dem Vergolder.

Und diese Entscheidung erweist sich als richtig. Denn das große sozialdemokratische Bildungswerk lebt nun mal von der Kunst der Verführung auf Kosten der Dialektik. Shakespeare fürs Volk, das lange überlegen muß, bevor es über zehn Mark für etwas ausgibt, wo die Seele nicht mitsingen kann, muß unterhaltend sein, eitel, schmuck und souverän.

Kenneth Branaghs Hamlet, wie der Film eigentlich heißen müßte, ist episches Unterhaltungskino, schön ins Bild gesetzt und – läßt man den Bildungsbürger-Zynismus und die Unterstellung unlauterer Absichten mal beiseite – eine kurzweilige Angelegenheit schwärmerischer Shakespeare-Verehrung. Die Seele kann mitsingen.

Till Briegleb Streits

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