: Wer spendete, bekam einen Platz im Himmel
■ Bettelverbote sind so alt wie die Frage: Was unterscheidet „echte“ von „falschen“ Bettlern? Im Mittelalter galt freiwillige Armut als ehrenhaft, heute nicht mehr
Schon im 14. Jahrhundert war Betteln längst nicht mehr jedem erlaubt. Jedenfalls in Nürnberg. Damals durfte nur um Almosen nachsuchen, wer nachweislich in der Stadt ansässig war und das amtliche Bettelabzeichen trug. Die Blechmarken mit dem Stadtwappen bekam, „wer mindestens zwei lewte, den wol zu glauben sey“, vorweisen konnte, die eine Bedürftigkeit, sprich Arbeitsunfähigkeit, bestätigten.
Die Bettelzeichen markierten den Beginn einer Rationalisierung der Armenfürsorge: Damals verboten die Gemeinden das Betteln zur Nachtzeit und in Kirchen. Die fremden, umherziehenden Bettler ohne offizielle Abzeichen durften auf den Straßen nicht mehr um Spenden bitten, schildern die Historiker Christoph Sachße und Florian Tennstedt.
Damit nahte das Ende des mittelalterlichen Bettlertums, das nach christlicher Denkweise keineswegs nur verabscheuungswürdig war. Freiwillige Armut genoß durchaus Wertschätzung. Der „Bettelstab“ der Armen hatte sich aus den Funktionen der Krücke des Krüppels, dem Taststock des Blinden, aber auch dem Wanderstab des Pilgers entwickelt. Die Bettelnden mußten eine Gegenleistung erbringen, indem sie für das Seelenheil der Gebenden beteten.
Bettler waren die „Elenden“, was soviel wie „außer Landes“ bedeutete. Arme hatten keine Heimat. Wer bettelte, trug vor Einführung der kommunalen Marken „wilde“ Abzeichen wie die Jakobsmuschel der Pilger oder den Löffel am Hut, schildert der Sozialforscher Gottfried Korff. Zu den Bettelattributen gehörte neben dem langen Stab die zerlumpte Kleidung. Zogen dann noch viele Kinder mit, war das Bild der Bedürftigkeit perfekt. Und nährte bereits damals den Verdacht der „falschen Bettlerbüberei“, des Betrugs mit scheinbarer Verkrüppelung und ausgeliehenen Kindern. „Manicher geht auff krucken/so mans sicht/wan er allein ist darf erst nicht. Der lehnet andern yr kinder ab/das es ein grossen hauffen hab.“ So heißt es in einem Vers des „Kleinen Narrenschiffs“ von 1515.
Mit dem beginnenden 16.Jahrhundert und der Entfaltung der bürgerlichen Gesellschaft wurden Bettler immer suspekter: Ihnen wurde ihr Handwerk grundsätzlich verboten. Dafür gewährten die Gemeinden den Armen ein kleines Almosen, sofern sie bestimmten Voraussetzungen genügten. Nur diejenigen, die „so bey irer fleyssigen arbeyt (kranckheit oder ander dergleichen zufell haben) mit eren verarmdt seind“, sollten unterstützungsberechtigt sein, hieß es in der Kitzinger Armenordnung von 1523.
Die religiösen Motive verschwanden auf den Darstellungen von Armut und Bettelei. Statt dessen wird in den kommenden Jahrhunderten für die Disziplinierung der Armut geworben: mit Bildern von Bedürftigen, die geduldig in Schlangen vor Gemeindehäusern auf Spenden warten. Im 19.Jahrhundert wurde Bettelei in Preußen mit sechs Wochen Gefängnis bestraft.
Die alten Ikonographien wirken noch heute: Wer offen bedürftig ist, sichtbar krank, alt oder verkrüppelt, gilt als „echter Bettler“. Junge Bettler dagegen, die offenbar freiwillig in Armut und Arbeitslosigkeit leben, müssen schon eine Gegenleistung bringen, um ein paar Mark zu ergattern. Barbara Dribbusch
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