: „Von Immobilienkapitalisten geleimt“
■ Empörung über Verkaufsbedingungen der Bremischen / Auch Theye steckt hinter der RSE
Die Wogen schlagen hoch angesichts der bekanntgewordenen Bedingungen des Verkaufs der Bremischen Gesellschaft. Denn wenn die Bremische knapp 1.000 Plattenbau-Wohnungen in Chemnitz für ca. 1.000 Mark pro Quadratmeter und ca. 400 Wohnungen in Duisburg für annähernd 1.500 Mark von der „Rinteln-Stadthagener Eisenbahngesellschaft“(RSE) kaufen soll, dann summiert sich das auf mindestens 60 Millionen Mark. Im Klartext: Die Bremische muß der RSE den Kaufpreis für deren 25-Prozent-Anteil (45 Millionen) finanzieren.
Die RSE habe diesen Deal zur Bedingung gemacht, heißt es. Der konkurrierende Bieter, die WCM, ist darüber in aller Höflichkeit empört. „Wir fühlen uns mißbraucht“, sagt WCM-Vorstand Reinhold Scherf. Wenn solche Dreiecksgeschäfte in der Ausschreibung allen angeboten worden wären, dann hätte natürlich auch die WCM anders verhandeln können. Aber die sollte das offensichtlich nicht wissen: „Mit uns hat man seit dem 13. Mai nicht mehr gesprochen“, stellt der WCM-Vorstand gegenüber der taz trocken fest. Daß der Senat am Montag abend schlicht das Bietungsverfahren für beendet erklärt hat und der Gemeinschaft Stadtwerke/RSE den Zuschlag gab, hat der WCM-Chef „aus der Zeitung erfahren“.
Auch die Gewoba und andere Bieter, die bares Geld geboten haben und nicht nur ihren Altwohnungs-Bestand, sind stocksauer über die Entscheidung des Senats. Die Konkurrenten der RSE ahnten nichts von derartigen Sonderbedingungen, sie entbehrten auch andere Vorteile. Das Notariat, das schon 1996 einen Gesellschaftervertrags-Entwurf machte und nun als Notar den Vertrag beurkundet, hat auf dem Briefkopf „Müffelmann/Büsing/Theye“. Joachim Theye aber, der CDU nahe Kirch-Anwalt, ist mit 17,5 Prozent ein wesentlicher Aktionär der RSE. Während der Chef der Bremischen, Fuhse, noch daran glaubt, daß über ein Ertragswertgutachten der Wert der Wohnungen, die die Bremische kaufen soll, festgestellt wird – die Mieten in den Plattenbauten dürften kaum höher als der Sanierungsbedarf sein –, steht in dem Vertrag schon der Substanz-Wert von 1.000 Mark pro Quadratmeter als Orientierungspunkt. Am Ende könnte herauskommen, daß die RSE für die Plattenbau-Wohnungen in Chemnitz mehr von der Bremischen bekommt als sie für ihren 25-Prozent-Anteil an den 6.500 Bremer Wohnungen bezahlen muß.
„Der Kaufpreis geht in die Kasse Bremens“, beharrt Senatssprecher Thomas Diehl, konfrontiert mit solchen Rechnungen. Das stimmt – wenn die Bremische allerdings für die RSE-Wohnungen mehr als 60 Millionen Schulden machen muß, kann man die Hälfte davon dem 50,1-Prozent-Eigentümer Bremen zurechnen. Einen steuerlichen Vorteil hat Bremen dann von den Miet-einnahmen aus Chemnitz auch nicht mehr.
Wieviel die RSE für die Ost-Wohnungen bezahlt hat, wurde bisher nicht mitgeteilt. SPD-Parteivorstandsmitglied und Verkaufs-Gegner Jürgen Maly ist sich dennoch sicher: „Die realisieren Spekulationsgewinne und finanzieren damit den Kaufpreis.“Er versteht überhaupt nicht, wie die Spitzengenossen sich „von diesen Immobilienkapitalisten so leimen lassen“können. Jeder Senator habe im Amtseid geschworen, Schaden von Bremen abzuwenden. „Die Senatoren, die dem zustimmen, verletzen ihren Amtseid“, formuliert Anwalt Maly voller Wut, „und die Parlamentarier, die dem zustimmen, sollten den Weg für Neuwahlen freimachen.“
Denn SPD-Parteitage hatten einmal beschlossen, daß mit dem Geld aus den Veräußerungen nicht Haushaltslöcher gestopft werden sollen. Geschwätz von gestern: Insgesamt 334 Millionen aus Anteilsverkäufen sollen bis zum Jahre 2.000 in Haushaltslöcher abfließen.
Mit dem nun unterzeichneten Vertrag verliert die Stadt Bremen auch den beherrschenden Einfluß auf die Bremische: Die neuen Anteilseigner haben mit 49,9 Prozent des Kapitals 50 Prozent der Stimmrechte gekauft. K.W.
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