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Wahlkampf: Keine Arbeit – kein Thema

Obwohl Arbeitslose ein entscheidendes Stimmenpotential darstellen, wollen Hamburgs Parteien die Arbeitslosigkeit nicht wirklich bekämpfen. Auch die GAL gibt sich ratlos  ■ Von Florian Marten

Die CDU träumt von der Dienstmädchenoffensive. Die Statt Partei schwärmt vom „Tathaus“. Die SPD kommt immerhin auf 17 klitzekleine Punkte „Was wir für die Wirtschaft tun“. Der GAL schwant, daß das Geld der Bundesanstalt für Arbeit auch sinnvoller ausgegeben werden könnte, und die FDP weiß wieder mal nur eins: „Steuern runter – FDP rauf“. In der schwersten lokalen Arbeitsmarktkrise der Nachkriegszeit ist es den Hamburger Parteien in herzerfrischender Eintracht gelungen, das Thema Arbeitslosigkeit fast völlig aus dem Wahlkampf herauszuhalten.

Durchaus verständlich: SPD und Statt Partei müssen sich vorhalten lassen, mit ihrer einseitigen Orientierung auf Bürobauten und Hafen die arbeitsmarktpolitischen Chancen des kurzen Einheitsbooms verspielt und die Krise im regionalen Arbeitsmarkt verschärft zu haben: Die Arbeitslosenzahlen haben sich seit 1992 fast verdoppelt. CDU und FDP wiederum trifft das offenkundige Versagen der Kinkel-Kohlschen Umverteilungspolitik: Trotz eines Exportwunders – welches übrigens fast ausschließlich der schwachen Mark zu verdanken ist – und eines mittlerweile kräftigen Wirtschaftswachstums von fast drei Prozent wächst die Zahl der Arbeitslosen auch in der Dienstleistungsstadt Hamburg unaufhörlich weiter.

Obwohl die Arbeitslosen-Haushalte in der Hansestadt ein möglicherweise wahlentscheidendes Wählerpotential von mindestens 200.000 bis 300.000 Stimmen darstellen und Arbeitslosigkeit in Meinungsumfragen ständig als Thema Nummer Eins genannt wird, haben die Parteien es längst aufgegeben, neue Arbeitsplätze zu versprechen. SPD-Bürgermeister Henning Voscherau verrät, warum: Das globale Dorf ist an allem schuld. Deshalb gilt: „Unsere Bewährungsprobe besteht darin, die Herausforderung Globalisierung gemeinsam zu bewältigen.“Wie das geht? Ganz einfach: mit eimem klaren Ja zu den „zukunftsträchtigen Techniken wie Transrapid und Gentechnik“, vor allem aber mit „dem Leistungsprinzip“und einer „Politik der volkswirtschaftlichen Strenge“: „Es darf nicht so werden, daß die täglichen Stunden der Erwerbsarbeit Störfaktor in der Freizeitwoche werden.“Wie einst Helmut Kohl („Freizeitgesellschaft“) hat auch Henning Voscherau die deutsche Faulheit als Ursache der Arbeitsmarktkrise entdeckt. Und wie Kohl hält auch Voscherau nichts von „immer weitergehenden Arbeitszeitverkürzungen“.

Politische Unterschiede zu CDU und FDP sind da nicht mehr zu erkennen. Voscheraus SPD setzt auf eine neoliberale Wachstumspolitik, die allenfalls durch ein bißchen mehr an ABM abgefedert wird. Insgeheim ist er auch mit der Ein-Punkt-Forderung von seinem Wunschkoalitionspartner Frank-Michael Wiegand einverstanden. Für die FDP ist, wie schon in jenen Tagen (1987-91), als Wiegand zusammen mit Ingo von Münch (FDP-Vize-Bürgermeister), Klaus von Dohnanyi (SPD-Stadtchef) und Henning Voscherau (als damaliger SPD-Fraktionschef der entscheidende Mann) die Stadt regierte, eine lokale Steuersenkung für die Unternehmen das einzig wichtige Politikziel. Wiegand wird dabei nicht müde, zu behaupten, dies sei beileibe kein Wahlgeschenk an die Besserverdienenden: Es gehe um „ein Signal“, welches die Wirtschaft ankurbeln und auf diese Weise insgesamt die Steuereinnahmen sogar steigen lassen werde.

CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust versucht denn auch gar nicht erst, ein eigenständiges wirtschaftspolitisches Profil der Christdemokraten vorzutäuschen. Kampf gegen Schwarzarbeit, die Hoffnung auf Dienstmädchenarbeitsplätze an der Elbchaussee, die schnellere Bereitstellung von Gewerbeflächen, Verkehrswegeausbau und ein Förderprogramm für Lehrstellen – viel mehr ist der CDU nicht eingefallen.

Erstaunlich nur, daß die grünalternative Oppositionspartei die Gunst der Stunde nicht nutzt, sich mit eigenen wirtschaftspolitischen Akzenten zu profilieren. Auch die GAL hält die Globalisierung für ein unausweichliches Schicksal, dem sich auf regionalpolitischer Ebene kaum etwas entgegensetzen lasse. Ein bißchen mehr lokale Beschäftigungsinitiativen im Stadtteil und vielleicht, wenn Bonn, die Bundesanstalt für Arbeit und die ÖTV wollen, ein bißchen freiwillige Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst. „Arbeit umverteilen – nur Illusion?“Mutig antwortet GAL-Wirtschaftsexperte Alexander Porschke: „Zumindest doch ein hochinteressanter Ansatz, über den in Zukunft zu reden und nachzudenken sein dürfte.“

Tieferer Grund für diese arbeitsmarktpolitische Bescheidenheit ist die Angst vor der eigenen Vergangenheit: Der Glaube an die Wirksamkeit öffentlicher Beschäftigungsprogramme oder eines Arbeitsplatzabbaus ist auch den linken Traditionalisten verloren gegangen. Über Alternativen, wie sie etwa Frankreichs Sozialisten mit ihrer Beschäftigungsoffensive für 300.000 Jugendliche jetzt gerade vorführen, wird vorsichtshalber erst gar nicht diskutiert. Und: Angesichts der überaus bescheidenen rot-grünen Regierungsbilanzen in anderen Bundesländern will die GAL weder bei den WählerInnen noch bei der SPD den Eindruck erwecken, sie könne arbeitsmarktpolitisch wirklich etwas bewegen.

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