■ Nachschlag: An den Schauspielern lag's nicht: "New York Story" im Tränenpalast
Auf dem Hinweg passierte ein Unfall. Ein Radfahrer stieß mit einem Auto zusammen. Das Absurde war, daß man sah, wie sich der Körper des Radfahrers im Flug zusammenkugelte und damit aus der Schrecklichkeit der Situation das Beste machte, indem er den Sturz weitestgehend abmilderte. Verrückt auch, daß man als Zuschauer anschließend trotzdem im normalen Leben fortfahren kann, zum Beispiel weiter zum Tränenpalast radeln,Fisch sucht Frau
weil dort am Sonnabend Yoko Onos und Gerald Uhligs Musical „New York Story“ gegeben wurde.
Bei Yoko Ono scheiden sich die Geister. Den einen ist sie die böse Beatles-Zerstörerin, den anderen eine bedeutsame Fluxuskünstlerin. Da ist der Uhlig, Gerald, das unbeschriebenere Blatt von den beiden, aber Frau Prinz von der Berlinischen Galerie weiß: „Pferde, Fische, Stiere, Hunde, Frauen, Männer, Kinder, Wasser, Licht, Farbe – Bilder, das ist die Welt von Gerald Uhlig.“ Von ihm sind die Texte und die Gestaltung des Musicals, Yoko Ono hatte die Idee für das Ganze und steuerte die Musik bei.
Die Geschichte handelt von Coolio Moricone, einem krankenhausbauenden, mafiosen Misanthrop, der Jill liebt. Die findet ihn auch klasse, aber als Bill auftaucht, hat sie den noch lieber. Das findet Coolio scheiße, deswegen macht er Bill nieder. Zum Schluß sind aber alle wieder gesund und munter und backen Brötchen im Thüringer Wald. Damit könnte man sich anfreunden. Wenn man bloß den Text nicht verstünde: „Jill, mit diesem Schlappschwanz wird die Klingel zwischen deinen Beinen nie läuten!“
Von Gestaltung ist dank des wenigen Platzes im Tränenpalast wenig zu sehen, die Kostüme sind dekorativ, und der dramatische Verlauf wechselt zwischen Tanz und handelndem Gesang und umgekehrt. Die Musik durchschreitet belanglos standardisierte Varianten gängiger Popstile. Aber sie hat Pathos, ohne mindestens zehn durchlittene Gänsehäute geht man aus „New York Story“ nicht wieder raus. Eine Szene ist absoluter Wahnsinn und allein das Eintrittsgeld zwischen 20 und 45 Mark wert: wenn Bill von Frank Bodygard in Zeitlupe zusammengeschlagen wird.
Die Schauspieler, Tänzer und Sänger in einem und die Musiker sind allesamt sehr gut, an ihnen liegt es als letztes, daß das Stück nichts taugt. Das zahlreiche und illustre Publikum applaudierte den Akteuren auf der Bühne deshalb auch frenetisch zu, und denen sah man die Freude darüber an, daß zumindest sie ihren Teil tadellos erledigt hatten. Katrin Schings
Mittwoch bis Samstag, 20 Uhr, Reichstagufer 17, Mitte
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