: Drohgebärden im Sozialamt
Flüchtlingsunterkunft Schanzenstraße: MigrantInnen werfen Sozialamt vor, sie mit fragwürdigen Methoden zum Auszug zu bewegen ■ Von Marco Carini
Chantal Gohas Stimme überschlägt sich, wenn sie von ihrem Besuch beim Sozialamt-Mitte erzählt. „Sie müssen sofort aus der Schanzenstraße raus“, habe sie ein Mitarbeiter der Bezirks-Behörde angefahren und ihr bei Weigerung „mit der Polizei gedroht“. Als die aus Mali geflüchtete Frau den Beamten fragte, wo sie bei einem Umzug in eine möblierte Unterkunft mit ihren Möbeln bleiben könne, habe er geantwortet: „Mir doch egal, ob Sie die Sachen wegschmeißen müssen“.
Chantal Goha bewohnt mit ihrem Mann Ibrahim, Tochter Fatis und Sohn Barry die Flüchtlingsunterkunft Schanzenstraße 2-4. „Wir fühlen uns sehr wohl hier“, berichtet die Afrikanerin, die die rund 50 Flüchtlinge fassende Unterbringung für „eine der besten in Hamburg hält“. „Hier gibt es keine Kakerlaken, keine Mäuse, alles ist schön und sauber, und jeder darf seine eigenen Möbel aufstellen“, ergänzt der Bosnier Dario Kokor. Wie die Familie Goha soll er samt Frau und Kindern die Behausung verlassen, weil das Sozialamt sie am 30. Mai kommenden Jahres schließen will.
Obwohl bis dahin noch über acht Monate ins Land gehen, bestellten die Sozialamtsmitarbeiter mehrere BewohnerInnen der Reihe nach zu sich und übten nach übereinstimmenden Aussagen aller Flüchtlinge massiven Druck aus. Einer afghanischen Frau, die kaum Deutsch spricht, soll es verwehrt worden sein, mit dem Behörden-Mitarbeiter in Anwesenheit ihres Dolmetschers zu sprechen.
Ein anderer Bewohner der Unterkunft berichtet, daß ein Sozialamts-Mitarbeiter ein ihm vorgelegtes Attest wortlos zerknüllt und weggeworfen haben soll. Mit der ärztlichen Diagnose wollte der Migrant beweisen, daß seine Frau zu krank sei, um einen baldigen Umzug auf sich zu nehmen. Andere Flüchtlinge berichten, ihnen sei die Kürzung ihrer Sozialhilfe angegedroht worden, wenn sie nicht ausziehen würden.
„Die Art und Weise“, mit der das Sozialamt versucht habe, die Flüchtlinge zum Umzug zu bewegen, sei „weder mit der Würde der Betroffenen noch mit rechtsstaatlichen Maßstäben in Deckung zu bringen“, klagt der Anwalt der betroffenen MigrantInnen, Matthias Boot. Der Leiter der Unterbringungsstelle des Sozialamtes, Volkhardt Werner, hingegen bestreitet, daß er oder seine Mitarbeiter, „die Flüchtlinge unter Druck gesetzt oder schikaniert“haben.
Immerhin, so Werner, überlege seine Behörde jetzt, mindestens eine in der Schanzenstraße untergebrachte Flüchtlingsfamilie erst im Frühsommer umzuquartieren, um den Kindern einen Schulwechsel mitten im Schuljahr zu ersparen. Daß das Amt den Unterbringungs-Vertrag nicht verlängern will, daran läßt Werner aber keinen Zweifel: „Wir haben mehrere hundert Flüchtlingsbetten zuviel im Bezirk und trennen uns von den Objekten, deren Verträge auslaufen“. Zudem sei die Schanzenstraßen-Unterkunft „eine der teuersten“.
Das aber könnte die Behörde wohl ändern. „Der Vermieter hat signalisiert, daß er bereit ist, den Preis zu senken“, weiß Dorothea Zirkel vom Hamburger Flüchtlingsrat. Die Organisation wirft dem Sozialamt-Mitte vor, „gutgeführte kleine Unterkünfte mit vernünftigen Wohnbedingungen zugunsten menschenunwürdiger Massenunterkünfte“wie dem Hotel „Interrast“oder „hygienisch unzumutbaren Unterbringungen“wie der Schilleroper aufzulösen.
Die noch in der Schanzenstraße wohnenden MigrantInnen und der Flüchtlingsrat haben für heute eine Demonstration gegen die Schließung der Unterkunft geplant, die um 17 Uhr am Sternschanzenbahnhof beginnen soll.
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