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Polizei schließt türkischen Kulturtreff

■ Verdacht auf Unterstützung einer kriminellen Vereinigung / Generalbundesanwalt ermittelt in Bremen

Ein Sicherheitsschloß bewahrte gestern über 30 türkische AktivistInnen davor, das Wochenende im Gefängnis verbringen zu müssen. Die sich selbst als „Revolutionäre Volkskräfte“bezeichnende Gruppe wollte die Räume ihres Bremer Kulturvereins e.V. in der Friesenstraße betreten. Nach einer polizeilichen Durchsuchung waren die Räume am letzten Wochenende von der Polizei geschlossen und versiegelt worden. Klammheimlich hatten die Beamten auch das Schloß ausgewechselt. Die Revolutionären Volkskräfte bestritten gestern die Rechtmäßigkeit der Schließung der Räume und wollten sie wieder öffnen. Leider paßte ihr Schlüssel nicht mehr. Die Polizei vor Ort hatte gedroht, sollten die Räume geöffnet werden, würde sie die Aktivisten festnehmen.

Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Ingrid de Boer, erklärte gegenüber der taz, daß im Auftrag des Generalbundesanwaltes gegen den Bremer Kulturverein wegen des Verdachtes auf Unterstützung einer kriminellen Vereinigung ermittelt würde. Bundesweit fahndet der Bundesanwalt nach Mitgliedern der verbotenen türkischen Revolutionären Befreiungspartei (DHKP-C) und Türkischen Volksbefreiungspartei (THKP-C). Beide sind rivalisierende Flügel der 1983 in der BRD verbotenen linksextremen Gruppe Dev Sol, Revolutionäre Linke. In Hamburg und Frankfurt ist es in den letzten Wochen zu bewaffneten Auseinandersetzungen der beiden Dev Sol Nachfolgegruppierungen gekommen. Es hat mehere Schwerverletze gegeben.

Bei den Durchsuchungen Anfang Juli und am vergangenen Wochenende in Bremen will die Polzei in den Räumen des Kulturvereins belastendes Material der Revolutionären Befreiungspartei gefunden haben. Um welches Material es sich genau handelt, konnte die Anwältin des Bremer Kulturvereins, Renate Schultz, noch nicht sagen. Mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen wurde ihr bislang Einblick in die Akten verwehrt.

Mitglieder des Bremer Kulturvereins hatten das Polizeikommando letzten Freitag überrascht, als die Beamten die Tür des Kulturvereins aufbrechen wollten. Die Polizei nahm drei Mitglieder des Kulturvereins fest. Zur Zeit sind sie wieder auf freiem Fuß.

Dev Sol und seine Nachfolgegruppierungen scheinen in Bremen keine Massenbasis zu haben. Laut Bremer Verfassungsschutz gibt es keine Erkenntnisse über entsprechende aktuelle Aktivitäten. In ihrer Einschätzung der radikalen türkischen Szene in Bremen verwies die Sprecherin der Staatsanwaltschaft auf Aktionen in den vergangenen Jahren.

1995 hatten TürkInnen das RTL-Studio in Bremen besetzt. 1996 wurden die Räume des türkischen Solzialattaches besetzt, die Aktion sollte auf die schlechten Haftbedingungen politischer Häftlinge in der Türkei aufmerksam machen.

„Wir haben nichts mit Dev Sol und den anderen zu tun“, sagt eine Sprecherin der Revolutionären Volkskräfte in Bremen. „Wir wollen nur unser Recht der Versammlungsfreiheit in Anspruch nehmen. Wir haben keinen verbindlichen, rechtlichen Beschluß in Händen, der sagt, warum die Räume in der Friesenstraße beschlagnahmt sind.“

Die Anwältin des Kulturvereins, Renate Schultz, wird die Rechtmäßigkeit der Schließung am Montag vor dem Verwaltungsgericht klären lassen. „Egal, wie der Beschluß des Gerichtes ausfällt, wir gehen auf jeden Fall in unsere Räume“, sagte eine Sprecherin der Revolutionären Volkskräfte.

Thomas Schumacher

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