„Die Leute sind reformunwillig“

■ FDP-Chef Wiegand zieht Konsequenzen und tritt zurück

Frank-Michael Wiegand, Landesvorsitzender und Spitzenkandidat der FDP, ist gestern von seinem Parteiamt zurückgetreten. „Ich übernehme die volle politische Verantwortung für das schlechte Wahlergebnis“, erklärte Wiegand. Innerhalb des Landesverbandes werden nun Forderungen laut, sich stärker vom wirtschaftsliberalen Kurs der Bundes-Partei abzuheben.

Mit 3,5 Prozent der Stimmen gelang der Hamburger FDP wieder nicht der Einzug in die Bürgerschaft (1993: 4,2 Prozent). Rose Pauly, auf Platz drei der Kandidaten-Liste, fand den Rücktritt Wiegands „ganz normal nach so einem Wahldebakel“. Auch ein geschlossener Rücktritt des Landesvorstandes, der gestern abend in Hamburg tagte, würde sie „nicht überraschen“. Enttäuscht zeigte sich Rose Pauly vom Verhalten der Wähler. „Jeder weiß, daß dieses Land Reformen braucht, die dem einzelnen auch weh tun werden. Wir sind die einzige Partei, die dies offen sagt. Wenn wir dafür einen Denkzettel kriegen, dann zeigt das, daß die Leute reformunwillig sind.“

Wiegand war nur neun Monate im Amt. Sein Vorgänger, Hans-Joachim Wiedmann, war vor einem Jahr auf Druck seiner Partei zurückgetreten. Er hatte eine Bettler-steuer gefordert. „Wir brauchen jetzt jemanden, der Ruhe und Kontinuität in die Partei bringt“, sagte gestern Hedda Guhr, Nummer zwei der FDP-Liste. Ob es nun einen Richtungsstreit innerhalb der Partei gebe? „Ich hoffe, daß es ihn nicht gibt. Aber es deutet vieles darauf hin“, schätzt Hedda Guhr. „Ich halte es für falsch, weiter auf die wirtschaftspolitische Pauke zu hauen. Wir müssen auch mehr auf gesellschaftspolitische Themen setzen, wie Bildung oder Kultur.“

Achim Fischer