: Jenseits aller begründbaren Blutflecken
■ Das Filmfest Hamburg zeigt unter dem Titel „Out of America“16 Filme aus den USA und profiliert sich langsam mit diversen Regiedebüts aus der unabhängigen Filmszene
Auch beim diesjährigen Filmfest kommen die Leichenzähler wieder auf ihre Kosten. Gerade in der Reihe „Out of America“, in der 16 Filme mit ziemlich unterschiedlichem Anspruch aus den USA zusammengefaßt wurden, kommt der enthemmte Austausch von Kugeln gut. In Lewis & Clark & George etwa (Mi, 1. Oktober, 22.30 Uhr, Cinemaxx 8), eine Art Bonny & Clyde als Dreiecksgeschichte, wechselt das Böse vom Körper des charmanten Ex-Häftlings zur stummen Schönheit. Trotz einiger Überraschungen, wie ihrer Karaoke-Version von „Where The Boys Are“im Fond des Wagens, verliert sich die handwerklich ordentlich gemachte Outlaw-Episode selbstgenügsam in den durchkomponierten Bildern des Werbefilmers Rod McCall. Auf lange Sicht vernachlässigt der Häppchenfilmer das für Verfolgungsgeschichten notwendige Tempo.
Besser mit dem Rhythmus der Gewalt kennt sich Paul Chart aus. In seinem verstörenden Regiedebut American Perfekt (Mi, 1. Oktober, 22.30 Uhr, 3001) wechselt ebenfalls das Böse die Körper. Doch unter Mitwirkung der wunderbar zappeligen Amanda Plummer (Pulp Fiction) und des schalkhaften David Thewlis (Naked) als Trickbetrüger wird dieses Roadmovie zu einer fulminanten Hatz. Wenn dabei das Schandmaul mit herausgetrennter Zunge die Verfolgung aufnimmt, dann grüßen statt des allgegenwärtigen Quentin Tarantino diesmal David Lynch und das Alte Testament. Auch wenn Paul Chart am Ende etwas die Puste ausgeht, unterminiert doch American Perfekt den American Dream mit sinistrem Wahn.
Weil er sich noch mit Begründungen von Gewaltakten abgibt, wirkt Danny Leiners Regiedebut Layin' Low (heute, 29. September, 17.30 Uhr, Cinemaxx) in diesem Umfeld schon fast betulich. Doch mit der für die New Yorker Independent-Filmszene typischen Lakonie umschifft die Geschichte zweier Freunde, die einfach nicht erwachsen werden wollen, alle moralischen Zugriffe und solidarisiert sich jederzeit mit seinen Hauptdarstellern. Doch die Spirale der Gewalt ist in Layin' Low unerbittlich.
Wie American Perfekt gerät so auch dieses Regiedebüt, das vermutlich nie in Hamburger Kinos zu sehen sein wird, zur Existenzberechtigung für das Hamburger Filmfest, das sich weniger von großen Namen blenden läßt. Denn in diesem Jahr wurde lediglich drei prächtigen Produktionen aus Hollywood ein billiger Werbelauf bei einem Filmfest ermöglicht. Nach der mißratenen Eröffnung gewinnt so das „Filmfest Hamburg“gerade mit Reihen wie „Spotlight Asia“und „Out of America“langsam an Profil.
Volker Marquardt
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