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Im Interesse der Mieter

■ Obwohl er Mieterhöhungen auslöst, dient der Mietenspiegel den MieterInnen

Beim Hamburger Mietenspiegel handelt sich nicht um behördlich oder politisch festgesetzte Werte, sondern um ein Abbild der Mieten, die derzeit tatsächlich gezahlt wurden. Wichtig ist die Unterscheidung der zwei Funktionen des Mietenspiegels:

– Er dient als „Begründungsmittel“für Mieterhöhungen, mit denen der Vermieter die Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete angleichen will. Hier ist der Mietenspiegel nur eine von drei Möglichkeiten; der Vermieter kann sich auch auf drei Vergleichswohnungen oder ein Sachverständigengutachten berufen.

Doch solche Expertisen haben drei Nachteile für die MieterInnen: Erstens werden die Prozesse durch Gutachten viel teurer. Zweitens sind die Sachverständigen meist Makler und kommen wegen ihrer berufsbedingten Orientierung auf Neuvermietungspreise meist zu höheren Werten als ein Mietenspiegel. Und drittens sind die Chancen eines Prozesses in der rechtlichen Beratung sehr viel schlechter abzuschätzen, weil niemand weiß, was das Gutachten erbringen wird. Solche höheren Risiken halten dann viele MieterInnen davon ab, sich gegen Mieterhöhungen zur Wehr zu setzen.

– Daneben dient der Mietenspiegel als juristisches „Beweismittel“. Das Gericht nimmt im Prozeß den Mietenspiegel als Grundlage für eine Schätzung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Hier geht es darum, möglichst zutreffend festzustellen, wie hoch die Vergleichsmiete für die jeweilige Wohnung wirklich ist.

Der Hamburger Mietenspiegel ist aufgrund seiner empirischen Datenbasis von so hoher Qualität, daß die Gerichte ihn für die beste Erkenntnisquelle halten und Sachverständigengutachten in der Regel ablehnen. Diese überragende Bedeutung vor Gericht hat dazu geführt, daß auch für die Begründung von Mieterhöhungen fast nur noch der Mietenspiegel genommen wird.

Hierdurch wird ein hohes Maß an Preistransparenz hergestellt. Das verbessert die vorherige Prüfung der Aussichten eines Prozesses, sei es wegen einer Mieterhöhung oder einer Miet-überhöhung. In beiden Zusammenhängen aber wird hierdurch auch eine gute Grundlage für außergerichtliche Einigungen geschaffen.

Ein altes Vorurteil gegen den Mietenspiegel ist, daß er die Ursache für Mieterhöhungen sei, denn schließlich komme es ja nach seiner Veröffentlichung regelmäßig zu einer Welle von Mieterhöhungen. Doch ohne Mietenspiegel würden nicht etwa die Erhöhungen ausbleiben, sondern nur anders begründet werden, etwa mit Vergleichswohnungen. Im Prozeß gäbe es Sachverständigengutachten.

Unterm Strich würden sich die oben beschriebenen Nachteile einstellen: Die Expertisen sind teuer, kommen meist zu höheren Werten als der Mietenspiegel und ihr Ergebnis ist nicht von vornherein bekannt. Ein von den Gerichten anerkannter Mietenspiegel liegt daher im Interesse der MieterInnen.

Auch der neue Mietenspiegel ist nach den vom Landgericht Hamburg akzeptierten Kriterien erstellt, so daß es möglich sein wird, in der Rechtsberatung der Mietervereine und bei mietrechtlich orientierten RechtsanwältInnen Mieterhöhungen zuverlässig überprüfen zu lassen. Jürgen Twisselmann

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