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Stürmische Gedankenspiele

Letzte Woche war es Zeb, davor George, davor Bonnie. Jedes Jahr gibt es neue Horrormeldungen über die Zerstörungswut von Stürmen. Trotz ausgefeilter Technik können Meteorologen nur kurzfristige Prognosen abgeben. Uneins sind sich die Forscher obendrein  ■ Von Uta Andresen

Seitdem die Orkane Wiebke und Vivien 1990 in Süddeutschland Zehntausende Bäume entwurzelten und an der Nordseeküste Evakuierungen notwendig machten, wird die Debatte auch in Deutschland geführt: Drohen uns im Zuge der globalen Klimaveränderung verheerende Unwetter und Monsterstürme?

In der Tat hinterließen die beiden Orkane vor acht Jahren nachhaltigen Eindruck und Sachschäden in Höhe von vier Milliarden Mark in Deutschland. Das war jedoch nichts gegen Andrew, der 1992 in Florida 85.000 Häuser wegfegte. Mit einer Schadensbilanz von 45 Milliarden Mark hält der Hurrikan nach wie vor den Rekord. Angesichts dieser Summen steigt der Erwartungsdruck auf die Meteorologen: Wie zuverlässig sind ihre Vorhersagen und vor allem wie lange im voraus kann ein Sturm verläßlich prognostiziert werden?

Um das Wetter in Deutschland vorhersagen zu können, müssen Daten der gesamten nördlichen Hemisphäre gesammelt werden. Etwa 4.500 Bodenstationen gibt es weltweit, in Deutschland sind es allein zweihundert. Hinzu kommen nochmal fünfhundert Wetterballons rund um den Globus, die bis zu zwölf Kilometer in die Atmosphäre aufsteigen können. „Gerade in dieser Höhe kommt es zu Wolkenbildungen oder Vereisungen“, erklärt Jens Hoffmann vom Deutschen Wetterdienst das Interesse der Meteorologen an der Zwölfkilometermarge.

Seit den sechziger Jahren werden auch Radar und Satelliten genutzt. Mit Hilfe eines Radars läßt sich etwa die Niederschlagsverteilung in einer Gewitterzelle räumlich darstellen. Darüber hinaus kann mit den elektromagnetischen Impulsen, die der Radar aussendet, auch Menge und Beschaffenheit des Niederschlags abgebildet werden. Wichtige Erkenntnisse über die Stärke eines Gewitters also. Aus diesem Konglomerat von Daten errechnen Großcomputer dann eine flächendeckende Ist-Analyse des Wetters. Die Berechnung in die Zukunft, etwa bei einem Tief, hangelt sich von Standort zu Standort. Dabei wird sowohl der für die Strecke notwendige Zeitaufwand als auch die Richtungsänderung der jeweilgen Windverhältnisse vor Ort, die das Tief in eine andere Richtung treiben könnten, berücksichtigt. Daß es jedoch immer noch Abweichungen bei der Prognose des Wetters gibt, liegt daran, daß das Ausgangsmodell nur ein stark vereinfachtes Abbild der realen natürlichen Verhältnisse ist.

Um nicht zu vielen Irrtürmern aufzusitzen, beschränken sich die Meteorologen bei ihren Vorhersagen auf einen Zeitraum von maximal zehn Tagen. Genaue Prognosen sind nur für die nächsten zwei Tage zu treffen. Entsteht irgendwo ein beachtliches Sturmtief, gehen die Klimaforscher dazu über, aktuell zu beobachten. Der Verlauf einer Sturmfront kann nur bis zu drei Stunden prognostiziert werden.

Dabei haben es die Meteorologen hierzulande noch einfach: die hiesigen Sturmfronten sind recht verläßlich vorhersagbar, weil sie sehr großflächige Ereignisse sind, die sich aus extremen Temperaturunterschieden ergeben. Viel komplizierter dagegen ist die Prognose von Wirbelstürmen oder Tornados. Diese können schon aus kleinen Turbulenzen entstehen oder verlangen nur geringe Temperaturunterschiede zwischen dem warmen Wasserdampf und kühlerer Höhenluft.

Für Vorhersagen ist aufwendige Technik nötig. So werden im Auftrag des Hurrican Forecast Center in Miami etwa Forschungsflugzeuge, ausgerüstet mit Radargeräten und Kameras, in das Auge des Wirbelsturms geschickt. Die Hurrikanflieger messen die Intensität der solaren Strahlung, die Beschaffenheit der Wasserteilchen in den Wolken, die Verdunstungsrate an der Meeresoberfläche, Windgeschwindigkeit und Durchmesser des Sturmauges. Anhand dieser Daten kann die Gewalt des Wirbelsturms in etwa prognostiziert werden. Dabei gilt: Je kleiner das Auge des Sturms, desto stärker seine Zerstörungskraft. Um die Route zu bestimmen, die ein Hurrikan nehmen wird, werden Formeln herangezogen, die sich auf lange Beobachtungsreihen stützen.

Ein Verfahren, das bei den in Nordamerika auftretenden Tornados nicht möglich ist. Diese sind unberechenbar, da sie eine sehr hohe Windgeschwindigkeit aufweisen und flächenmäßig nur sehr kleine Sturmereignisse sind.

Unter dem Eindruck der zerstörerischen Wetterereignisse der letzten Jahre wird regelmäßig die Vermutung laut, daß infolge der globalen Erwärmung die Häufigkeit und Stärke von Stürmen zunehmen könnte. Als Indiz für diese Hypothese wird gewertet, daß aufgrund der Aufheizung der Atmosphäre ein „größerer Energiegehalt“ zur Verfügung steht, der sich in Form von Stürmen entladen könnte. Und man müsse zugleich davon ausgehen, daß die Temperaturgegensätze in etwa konstant bleiben. Die sorgen dafür, daß Turbulenzen und Tiefdruckgebiete überhaupt entstehen, sagt Gerd Tetzlaff, Meteorologe an der Universität Leipzig und Vizevorsitzender der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (DMG).

Bisher seien dies jedoch unbestätigte Modellvorstellungen der Wissenschaft, schränkt Tetzlaff ein. Denn weder sei in den letzten zwanzig Jahren die Zahl tropischer Wirbelstürme gestiegen noch hätten diese an Wucht zugenommen. „Eine signifikante Zunahme von Wirbelstürmen gibt es auf gar keinen Fall“, sagt der Forscher.

Auch Mojib Latif, stellvertretender Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI) in Hamburg, sieht das so: „Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem Treibhauseffekt und dem Auftreten von Hurrikans, Tornados oder Orkanen.“

Ganz so kategorisch wiederum will der Leipziger Professor Tetzlaff das liebste Gedankenspiel der Wetterforscher dann doch nicht in Abrede stellen. In den letzten fünfzig Jahren hätte sich immerhin gezeigt, daß der Kerndruck bei nordatlantischen Tiefs stärker geworden, das heißt gesunken ist. „Zugleich jedoch haben Windgeschwindigkeiten und Sturmhäufigkeit in Europa nicht nennenswert zugenommen“, sagt er. Wie dieses Phänomen zu erklären sei, ließe sich derzeit noch nicht sagen.

Ein meteorologisches Modell etwa geht davon aus, daß weltweit im nächsten Jahrhundert die Stürme abnehmen werden, da eine globale Erwärmung die Temperaturgegensätze zwischen Äquator und den Polen nivelliert. Allerdings, sagt Ernst Maier- Reimer, Meteorologe am Hamburger MPI, könnte es sein, daß sich der Nordatlantik von dieser allgemeinen Tendenz abkoppelt. „Da allgemein mehr Wasserdampf bei einer Erwärmung freigesetzt wird, kommt es auch zu mehr Niederschlägen, die wiederum in bestimmten Breiten zu einer Abkühlung führen.“

Im Nordatlantik sei dann mit einem Frischwasserimport aus arktischen Gewässern zu rechnen. Die Folge: mehr Stürme in Nordeuropa. In der ersten Häfte des nächsten Jahrunderts rechnen Maier- Reimer und Kollegen damit, daß es zu einer leichten Abkühlung in Nordeuropa und damit entsprechend mehr Stürmen kommen wird, erst dann folgt auch hier die Erwärmung. Allerdings, schränkt Maier- Reimer ein: „Dies sind keine hinlänglich bewiesenen Prognosen.“

Daß die steigenden Schadenssummen ein Indiz für die Zunahme der Gewalt von Stürmen sei, verneint Tetzlaff. Die immensen Summen hingen lediglich damit zusammen, daß immer mehr Landschaft verbaut und also auch mehr Material vorhanden sei, das zerstört werden könnte. Es sei nicht verwunderlich, daß gerade die Versicherungsbranche immer wieder vor der steigenden Gefahr durch Stürme warne: „Wenn das Risiko steigt, müssen auch die Prämien steigen“, sagt Tetzlaff.

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