: Fehlgesteuerte Integration light
■ Ein Gespräch mit dem Behinderten-Pädagogen Georg Feuser über das neue Integrationskonzept für behinderte Kinder
Ein neues Integrationskonzept für verhaltensauffällige Kinder in Kindergärten, sorgt unter ErzieherInnen und Eltern für Unruhe (vgl. den Bericht auf Seite 22). Die Angst: Bremens Behinderten-Integration, einst als vorbildlich für die ganze Republik gerühmt, geht den Bach runter – in der Behörde spricht man hingegen von Wildwuchs-Bereinigung. Wir sprachen mit einem der Erfinder der Bremer Behinderten-Integration, Professor Georg Feuser.
taz: Wird mit dem neuen Integrationskonzept aus der Sozialbehörde in Bremen Integration light eingeführt?
Georg Feuser: Das Konzept beschreibt alle wichtigen Elemente der Integration: Gemeinsames Spielen, Wohnortnähe, therapeutische Hilfen. Das ist positiv. Kritisch wird es bei der Frage, wie die Integration demnächst gesteuert und finanziert werden soll.
Dämpfung der Kostenentwicklung wäre nichts Negatives.
Aber genau da entstehen die Probleme. Zwei Drittel der Kinder, die bisher besondere Unterstützung bekamen, soll künftig ohne besondere Maßnahmen gefördert werden. Diese Gruppen sollen einfach doppelt besetzt werden. Auf diese Weise entsteht aber noch keine besonders qualifizierte Regel-Kita.
Was fehlt?
Eine Ausbildungsreform für zukünftige ErzieherInnen zum Beispiel, die sich schon in ihren Fachschulen mit der Integration beschäftigen.
Das Konzept zielt vor allem auf die Entschlackung der Verwaltung.
Es gibt heute 19 verschiedene Sondermaßnahmen für die Integration behinderter Kinder. Das müßte wahrhaftig vereinfacht werden.
Wenn die freien Kita-Träger wie die Bremische Kirche sich jetzt gegen das neue Konzept wehren: Verteidigen sie dann nicht einfach diese Pfründe?
Nein. Die Vereinfachung wäre ja für jeden da. Die Gefahr ist, daß dadurch auch Qualität wegrationalisiert wird. Denn der Pferdefuß an dem Konzept ist doch, daß es die sogenannte qualifizierte Regeleinrichtung, die diese ganzen Sondermaßnahmen ersetzen soll, nicht gibt.
Bei der Frage der Entschlackung ist immer wieder von einer Abschaffung oder Umwandlung der Hilfekonferenzen die Rede, in denen vom Mitarbeiter in den Sozialämtern bis zu den Eltern alle über Hilfen für das Kind nachdenken.
Die Hilfekonferenz könnte man mit weniger Personal durchführen. Das Diagnose-Ziel aber muß die Gesamtperson eines Kindes bleiben und nicht nur ein einzelner „Defekt“. Wichtiger als solch ein neues Konzept aber wäre es, die heute praktizierte Integration zu evaluieren. Auch das ist ja noch gar nicht passiert. Und dann kann man das einfacher machen.
Das Konzept ist also unnötig?
Zumindest gibt es noch einen großen Gefahrenpunkt in dem Konzept, wo die Eltern berechtigt Angst haben. Man versucht jetzt, notwendige Therapien, wenn sie durch die Krankenkassen bezahlt werden, aus dem Kindergarten auszugliedern. Und schon gelten Behinderte wieder als krank oder behindert. Bisher waren sie in das pädagogische Konzept integriert. Bisher haben wir ja gerade die Therapie in den pädagogischen Alltag integriert. Da kriegen die Pädagogen mit, wie die Therapeuten mit des Kindes handeln und können das auch so machen, wenn die Therapeuten gar nicht da sind. Das gehörte zu den großen Errungenschaften des Bremer Integrationskonzeptes und hat auch präventive Wirkung auf die anderen Kinder.
Fragen: Fritz von Klinggräff
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