:
Sicherheit oder Innenstadt ■ Die USA müssen sich entscheiden
In einem Punkt hat Michael Naumann recht: Der Streit um den Bau der US-Botschaft am Pariser Platz hat sich längst zur peinlichen Posse entwickelt. Auf der einen Seite die Amerikaner, die nach leidvollen Erfahrungen mit Anschlägen auf Sicherheitsmaßnahmen pochen, die mit der Realität europäischer Städte beim besten Willen nicht vereinbar sind. Und auf der anderen Seite ein Regierender Bürgermeister, der Eile nicht für nötig hält und seine Sicherheitsexperten erst im September zu Gesprächen nach Washington schicken will.
In der Sache aber sind Naumanns Belehrungen verfehlt. Der Schutz der jetzigen US-Botschaft an der Neustädtischen Kirchstraße, mit Stacheldraht und Straßensperren, gibt einen Vorgeschmack darauf, wie die gute Stube der neuen Hauptstadt ganz gewiß nicht aussehen darf. Abgesperrte Zonen auf dem Pariser Platz oder eine Hochsicherheitsstraße neben dem Holocaust-Mahnmal darf es nicht geben. Teile des Tiergartens oder gar des Mahnmals zu opfern, um Straßen zu verlegen – das ist erst recht indiskutabel.
In der Innenstadt zu residieren und gleichzeitig eine Sicherheit wie auf der grünen Wiese zu genießen – das läßt sich nun einmal nicht machen. Schon die Bundesregierung, die ursprünglich die meterhohen Zäune aus dem vermeintlich bürgernahen Bonn in die neue Hauptstadt mitnehmen wollte, mußte das einsehen. In allen europäischen Hauptstädten können die Passanten vor Regierungs- oder Botschaftsgebäuden ungehindert flanieren, allenfalls per Kamera mißtrauisch beäugt. Wollen die Amerikaner das nicht akzeptieren, dann müssen sie eben auf der grünen Wiese bauen.
Über eine Einschränkung des Autoverkehrs, der zumindest Sprengstoffattentate großen Stils verhindern könnte, ließe sich allerdings reden. Schließlich hält der Senat immer noch offiziell am erklärten Ziel fest, nur noch 20 Prozent des Innenstadtverkehrs per Auto zu bewältigen. Auch an seinen Willen, das Brandenburger Tor wieder zu schließen, wenn die Dorotheenblöcke fertig sind, könnten die Amerikaner den Senat erinnern. Dann ließen sich der Sicherheitsmanie der Diplomaten auch positive Seiten abgewinnen.
Ralph Bollmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen