piwik no script img

Das Phantom  ■   Der SPD-Wahlkampf ist schon zu Ende

Die SPD hat es geschafft. Sie hat den schnellsten Wahlkampf aller Zeiten geführt. So schnell, dass er schon lange vor dem Urnengang zu Ende ist. Anders als die sächsischen Genossen, deren Spitzenmann erst nach der ersten Hochrechnung die Flucht ergriff, hat die Berliner SPD ihren Frontmann Walter Momper schon vor der Wahl zurückgetreten. Um nicht noch weitere Wähler zu verschrecken, will die Partei das Konterfei des Kandidaten aus dem Stadtbild entfernen – und Themenplakate kleben.

Doch die Partei muss aufpassen, dass ihren neuesten Schachzug überhaupt noch jemand bemerkt. Schon seit Wochen agiert Momper weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Vergangene Woche hielt er zwar eine donnernde Rede – aber leider nur vor den eigenen Wahlkampfbeauftragten. Mompers Pressetermine, bei denen sich die Journalisten anfangs drängelten, sind exklusive Veranstaltungen geworden.

Mit Mompers Person, versichern seine Parteifeinde, habe die Entscheidung gegen die Glatzen-Plakate nichts zu tun. Mag sein, dass die Gedanken der Strategen weit grundsätzlicher waren: Wozu ein Spitzenkandidat, wenn eine Partei in Wahrheit um den Status quo kämpft und nicht mehr um das Amt des Regierenden Bürgermeisters?

Noch einmal hat Walter Momper gestern versucht, sich gegen diese Erkenntnis aufzulehnen. Die SPD, sagte er, wolle „weiterhin stärkste Partei werden“. Es wäre mutig genug gewesen, hätte er von der „zweitstärksten“ Partei gesprochen. Schließlich sind die Grünen, anders als in Sachsen, in Berlin vergleichsweise stark. Da könnte die SPD leicht auf dem vierten Platz landen.

In Berlin ist das nicht möglich? Da sollte sich die SPD auf nichts verlassen. Schließlich hatte sie sich schon 1995 in der beruhigenden Gewissheit zurückgelehnt, weniger als die blamablen 23,6 Prozent von damals habe sie in ihrer einstigen Hochburg nicht zu befürchten.

Freuen darf sich nur Walter Momper, das Phantom. Er ist jetzt ein freier Mann und von jeder Verantwortung fürs Wahldebakel befreit. Dann können alle sagen: Die Themen waren schuld. Ralph Bollmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen