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Landesvater ohne Zutun    ■ Diepgens Popularität ist Mompers Schwäche

Es ist schon bemerkenswert. Von Woche zu Woche fallen die Sympathiewerte für den SPD-Spitzenkandidaten Walter Momper, während der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zum Liebling der Berliner avanciert. 58 Prozent aller Befragten würden Diepgen bei einer Direktwahl erneut zum Regierenden küren. Selbst bei SPD-Anhängern liegt Deutschlands dienstältester Ministerpräsident mit 52 zu 27 Prozent deutlich vorne. Das sind Werte, wie sie sonst nur Landesfürsten und -väter wie Bernhard Vogel, Kurt Biedenkopf oder Manfred Stolpe erreichen.

Vergleicht man die Meinungsumfragen hinsichtlich einer imaginären Direktwahl mit den Prognosen für die antretenden Parteien, so wird in der Tat deutlich, dass sich der Politiker Diepgen längst vom Ruch des technokratischen, blassen Verwalters der Großen Koalition befreit hat. Was die SPD seinerzeit mit der Kür von Walter Momper im Blick hatte – ein Kandidat, der nicht mit den Mühen der Großen Koalition in Verbindung gebracht wird –, ist dem Amtsinhaber Diepgen scheinbar mühelos gelungen. Politische Schlappen wie beim Flughafen Schönefeld mögen der CDU angelastet werden, Eberhard Diepgen und seiner Popularität dagegen können sie nichts anhaben.

Da stellt sich die Frage: Was hat der Mann getan, um im gleichen Atemzug mit Biedenkopf oder Stolpe genannt zu werden? Die Antwort lautet: Nichts! Weder ist Diepgen besonders präsent, noch ist er ein Politiker zum Anfassen. Zwar hat es die CDU-Kreativabteilung vermocht, Diepgen zum Laufen zu bringen, das nötige Quäntchen Humor, das zum politischen Geschäft auch gehört, hat sie ihm nicht verpasst. Diepgen ist noch immer unnahbar, uninspiriert, uninteressant.

Nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen wurde des Öfteren gesagt, dass der bodenlose Sturz der Berliner SPD nicht länger Walter Momper zuzuschreiben sei. Die Schere zwischen den Direktwahl- und den Abgeordnetenhausprognosen spricht da eine andere Sprache. Momper hat nicht nur die SPD in den Keller geführt, er hat dazu beigetragen, dass der blasse Regierende ohne eigenes Zutun ein überaus populärer Politiker geworden ist. Uwe Rada

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