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Atomindustrie will Grenzwerte kippen

■ Atommüll soll wieder rollen, sonst steht AKW Stade vor dem Aus

Hannover (taz) - Der AKW-Betreiber PreussenElektra kann die gültigen Strahlennormen für Atomtransporte offenbar nicht sicher einhalten. Trotzdem versucht der Hannoveraner Konzern, vom zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz eine Genehmigung zu bekommen – weil sonst der Betrieb von AKW in Frage gestellt wäre.

In einem Brief an das Bundesumweltministerium, der der taz vorliegt, stellt PreussenElektra den internationalen Grenzwert für Außenkontaminationen an Atommüllbehältern in Frage: Die Forderung, „dass bei Radionuklidtransporten zukünftig die Überschreitung des Wertes vier Becquerel pro Quadratzentimeter absolut ausgeschlossen ist“, müsse dazu führen, „dass zukünftig Radioaktivtransporte überhaupt nicht mehr möglich wären“, heißt es in dem siebenseitigen Brief vom Mai 1999.

Auch nach dem Transportrecht, so PreussenElektra in dem Schreiben, könne der Grenzwert „im Laufe eines Transportes trotz aller Vorsichtsmaßnahmen überschritten werden“. In diesem Falle müsse „so bald wie möglich dekontaminiert werden“. Im Klartext: Die Atommüllfuhren sollen von den Behörden erst einmal genehmigt werden. Wenn dann die Normen nicht eingehalten werden, könne man ja immer noch handeln.

Wegen der Überschreitung der Grenzwerte an der Außenhülle der Stahlbehälter um ein Vielfaches hatte die damalige Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) 1998 die Atomtransporte bis auf weiteres gestoppt. Merkel zeigte sich damals empört, dass die Konzerne jahrelang von der Misere wussten.

In dem Brief vom Mai fordert der AKW-Betreiber auch baldige Brennelementtransporte aus dem AKW Stade in die französische Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague. Hintergrund: In Stade passen die heute gebräuchlichen großen Castor-Zwischenlagerbehälter nicht durch die Schleuse des Kraftwerks – Ahaus und Gorleben fallen als Zwischenlager aus. Deshalb müsste Stade im nächsten Jahr abgeschaltet werden.

Um die Erlaubnis zur Grenzwertüberschreitung hat die PreussenElektra allerdings vergeblich beim Bundesumweltminister nachgesucht. Das internationale Transportrecht lasse keineswegs Ausnahmen von diesen Grenzwert zu, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesamts für Strahlenschutz zu dem Schreiben der PreussenElektra. Vielmehr hat die Internationale Atomenergieorganisation in zwei Sitzungen einstimmig festgestellt, dass der Grenzwert sinnvoll und einhaltbar sei. Jürgen Voges

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