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Wo der Hund begraben liegt

Damals, als man sich noch eine Saison lang einquartierte. Das Beau-Rivage-Palace in Lausanne liegt schön am Genfer See und hat einen Friedhof für Vierbeiner

Die Grabplatten sind diskret. Fotos, Angaben zur Rasse. Hinweise auf die früheren Frauchen und Herrchen fehlen.

Englische Lords, russische Großfürsten, Dandys der Belle Epoque und sonstige Berühmtheiten pflegten im Beau-Rivage-Palace von Lausanne ihre vornehmen Körper zu betten. Gala-Diners, rauschende Feste, hochrangige Konferenzen fanden hier statt. Das 1861 eröffnete Fünf-Sterne-Haus und Gründungsmitglied der Leading Hotels of the World thront – der Name verrät es halbwegs – am schönen Ufer des Genfer Sees. Auf der Hofseite des Hotels erinnert die Skulptur „La Paix“ an die Unterzeichnung des Friedensvertrags zwischen Italien und der Türkei anno 1912. Im Ersten Weltkrieg diente das Traditionshotel als Lager für Flüchtlinge, später als Krönungsstätte für König Hussein von Jordanien, vor ein paar Jahren als abgeschotteter „Bunker“ während einer heiklen Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Auf dem Nachbargrundstück residiert seit 1993 das Olympische Museum des IOC.

Wir schmökern im ledergebundenen Gästebuch. Es liest sich wie das internationale „Who’s who“ und enthält Widmungen von Filmstars (Gary Cooper), Schreibstars (Somerset Maugham), Modestars (Coco Chanel) und Politstars (Nelson Mandela).

Berühmte Gäste beherbergen auch andere traditionsträchtige Nobelhotels. Aber welches besitzt den Luxus eines hoteleigenen Hundefriedhofs wie das Beau-Rivage-Palace? Am Rand der weitläufigen Parklandschaft liegen rund fünfzig Grabplatten auf einem von Sträuchern umrahmten Grashügel. Erst vor drei Jahren wurden die Grabplatten gesäubert, erzählt uns eine Hotelmitarbeiterin. Trotzdem sehen viele Platten verwittert aus, nirgendwo zieren frische Blumen die Hundegräber. Die Grabplatten sind diskret. Fotos, Angaben zur Rasse, Hinweise auf die früheren Frauchen und Herrchen fehlen. Nur die Inschriften geben Aufschluss über die einst innige Beziehung zwischen Herr und Hund: „Hier schläft unser geliebtes Paulinchen. Garmisch 1969, Lausanne 1973“. „Mimi Notre Joie 1927–1944“, „Taffy my beloved friend 1925–1937“, „Mi querido Purtzl 1949“, „Paddy 1913–1926 Angleterre – France – Autriche – Suisse“. „Sunnyat – little friend for fifteen years“. Bei „Beauty“ verblasst die güldene Inschrift auf der grauen Grabplatte zusehends. Der Kriegshund Musette (1939 bis 1945) liegt Seite an Seite mit Pascal. Fifi, Macko und Marzus teilen sich eine Dreiergruft. Welches ist bloß die Grabplatte für die zwei Pekinesen des Duke of Windsor?

Auf dem über hundert Jahre alten Hundefriedhof fanden ausschließlich die Vierbeiner von prominenten Hotelgästen ihre letzte Ruhestätte. Im Grunde ist er eine Altlast aus Zeiten, als betuchte Gäste sich ein halbes Jahr im Beau-Rivage-Palace einquartierten und natürlich ihre geliebten Fiffis bei Fuß haben wollten. Aus hygienischen Gründen, erklärt die Hotelmitarbeiterin, wurde schon vor acht Jahren der letzte Hund eingeäschert und begraben. „Veuillez tenir les chiens en laisse“ (Halten Sie die Hunde bitte an der Leine) mahnt ein Schild neben dem asphaltierten Parkweg.

Wie auf Bestellung biegen plötzlich drei herrenlose Dackel um die Ecke. Sie tapsen auf den Gottesacker und schnüffeln zwischen den Gräbern ihrer verblichenen Artgenossen. Eine Töle hebt sogar das Bein an Beppos Stein (1881–1898)! Kein Parkwächter weit und breit. Stattdessen kommt nur eine aufgebrezelte Grauhaarige des Weges. Die Hundehalterin, drei Leinen um den Hals. „Allez, allez!“, krächzt sie und strebt zum Beau-Rivage-Palace.

GÜNTER ERMLICH

Infos: Beau-Rivage Palace, Place du Port 17-19, CH-1000 Lausanne 6. Tel.: (0041-21) 613 33 233, Fax: (0041-21) 613 33 34. Internet: www.beau-rivage-palace.ch

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