: Gute Laune auf dem BoBo-Klo
Elf Tage nach Beginn ihres Streiks halten die Redakteure des tschechischen Fernsehens aus. Der angeschlagene Generalintendant Hodáč könnte bald weg vom Fenster sein
PRAG taz ■ Auch am elften Abend ihres Aufstands herrscht unter den rebellierenden Redakteuren im besetzten Nachrichtengebäude des Tschechischen Fernsehens, Česká Televize, gute Laune. „Keine Spur von Klaustrophobie“, lacht eine Redakteurin in Anspielung auf den Politiker Václav Klaus, dem vorgeworfen wird, er und seine Partei, die Bürgerdemokraten (ODS), wollten den öffentlich-rechtlichen Sender politisch manipulieren.
„Die Wachmänner, durch die Intendant Hodáč uns hier hat einsperren wollen, sind auch nicht mehr so streng“, erzählt ein Sprecher der Aufständischen. „Sie lassen uns sogar mal aufs Klo.“ Sollte das nicht der Fall sein, haben die Besetzer ja immer noch ihre chemischen Toiletten, die sie schon längst nach der von ihnen abgelehnten Nachrichtenchefin, Jana Bobo- šíková, in „BoBo WC“ umbenannt haben. Die „Kloordnung“ hängt an der Tür. Regel Nummer eins: „Klaus scheißt auf jede Masse.“
Für ihn gäbe es „nichts Schlimmeres“ als einen „Sieg des Angestelltenaufstandes“, wie er bei der gestrigen Parlamentssitzung sagte. Denn, so Klaus, die gegenwärtige Krise sei künstlich und von gewissen politischen Kräften hervorgerufen, denen es nicht um Meinungsfreiheit, sondern um einen politischen Wechsel zu ihren Gunsten ginge.
Wen der ODS-Vorsitzende und Parlamentspräsident damit gemeint hat, ist klar: die Viererkoalition der kleinen Parteien, die ODS und Sozialdemokraten durch Verfassungs- und Wahlrechtsänderungen am liebsten schon längst kaltgestellt hätten. Denn diese Koalition mausert sich langsam, aber sicher zur wahren politischen Opposition.
Da kommt der Streit ums Fernsehen gerade recht, hat er doch die tschechische Gesellschaft in zwei klare Lager gespalten: die, die Flagge und Durchstehvermögen für die politische Unabhängigkeit des Senders zeigen, wie Künstler, Intellektuelle, Journalisten, der Präsident, Viererkoalition und spätestens seit der Massendemo am Mittwoch auch die Regierung und die, die auch weiter das Gespann Hodáč/Bobošíková an der Spitze des Senders sehen wollen: Klaus, seine Partei ODS und deren Marionetten im Senderat sowie das Privat-TV „Zar Vladimír Železny“.
Der Stein des Anstoßes: Generalintendant Jiří Hodáč. Er kollabierte am Tag nach der Massendemo und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Es gehe ihm aber schon wieder besser, so eine Sprecherin, am Montag wolle er wieder zur Arbeit.
Wenn er sie dann noch hat. Seine Unterstützung schwindet von Tag zu Tag, der Widerstand hingegen wächst. Da hilft auch nicht, dass die „offiziellen“ Nachrichten die Lage offen verfälschen. Donnerstagabend zeigte „BoBo-TV“ einen leeren Wenzelsplatz mit der Anmerkung, dass dort wieder eine Demo hätte stattfinden sollen. Dass allerdings erneut rund 3.000 Menschen für die Redakteure protestierten, verschwieg der Sender.
Doch auch im Protest hat der Kommerz Einzug gehalten. Vor dem besetzten Gebäude verkauft eine private Firma T-Shirts mit der Aufschrift „Bobivize Ne!“ („BoBovision nein!“). „Wir sympathisieren aber mit denen dort drin“, sagt eine der Verkäuferinnen schnell. ULRIKE BRAUN
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