: Die Schönheit eines Baseballschlägers
■ Der DesignerInnen-Berufsverband AGI hat zu einem Plakat-Wettbewerb gegen rechte Gewalt aufgerufen. Auch eine Gruppe an der Bremer Hochschule für Künste macht dabei mit und entwirft „Anschläge gegen rechts“
Vor ein paar Jahren muss Eckhard Jung richtig wütend gewesen sein. Der im normalen Leben eher höflich-gelassene Gestalter und Professor für Graphik-Design an der Bremer Hochschule für Künste „rotzte“ mal eben den Entwurf für ein Plakat hin. „Sieg Heul“ steht drauf. Mehr nicht.
Es ist auch zum Heulen. Oder zum Wütend werden. Und zum Sich-Gedanken-machen. Selbstverständlich reagiert der Gestalter, der sonst mit dem Corporate Design von öffentlichen Verkehrsbetrieben, der Kieler Woche oder mit dem Titel von Büchern beschäftigt ist, wenn die Berufsvereinigung „Alliance Graphique International“ (AGI) ruft. Einen Plakatwettbewerb hat die AGI jüngst ausgeschrieben. „Anschläge gegen rechts“ hat er zunächst geheißen, dann sind „Anschläge gegen rechte Gewalt“ daraus geworden. Mag sein, dass auch noch das „rechte“ aus dem Titel verschwindet. Doch für die InitiatorInnen ist klar, dass die politisch motivierte Gewalt zurzeit vom rechten Spektrum ausgeht. Für sie ist auch klar, dass „dieser Minderheit nicht der öffentliche Raum überlassen“ werden dürfe. Und für Eckhard Jung ist in seiner Eigenschaft als Hochschullehrer in Bremen klar, dass seine StudentInnen dabei mitmachen – wenn sie wollen. Und: Sie wollen.
Zurzeit denken sich an 30 oder 40 Hochschulen, die genaue Zahl kennt niemand, junge GestalterInnen etwas aus. So geschieht und geschah es auch im zweiten Stock der Bremer Hochschule Am Wandrahm. Plakate gegen rechts oder gegen rechte Gewalt? Das ist auf den ersten Blick ein ausgelutschtes Thema. Trotzdem: „Die Resonanz auf die Ausschreibung ist riesig“, weiß Jung. Wohl 1.000 Entwürfe werden bis Ende Februar bei der AGI-Jury eingehen. Und etwa ein Dutzend wird aus Bremen kommen.
Sieg Heul – oder was ist ein gutes Plakat? Ein gutes Plakat ist beim ersten Hingucken sofort einprägsam, enthüllt beim zweiten Hingucken weiteren Inhalt und hat bestenfalls beim dritten Hingucken auch noch etwas zu sagen. So die Lehrmeinung. Jetzt aber, an einem Freitag Ende Januar, zeigt eine Gruppe von StudentInnen ihre Entwürfe, an denen schon die Kritik der KommilitonInnen und – freilich – von die von Jung selbst geschliffen hat.
Einer hat etwas beinahe Schönes, also Ästhetisches gemacht: In einer Art Triptychon lehnen links ein Besen und rechts ein Baseball-Schläger an der Wand, während die Mitte ein „Betreten verboten“-Schild zeigt. Ein Slogan zum Thema Leitkultur steht drüber. Das ist kein optischer Brüller, die Wirkung kommt, wenn sie kommt, mehr durch die Hintertür. Eine Kommilitonin schlägt vor: „Nimm doch nur den Baseball-Schläger, das wirkt stärker – und geht auch als Hochformat.“ Querformate sind, wie sich jetzt herausstellt, nämlich nicht vorgesehen, weil die Deutsche Städtereklame (DSR) die ausgezeichneten Entwürfe plakatieren will und nur Platz für Hochformate hat.
Andere Entwürfe erfüllen diese Anforderung. Ein Student hat ein Bild des Fußballers und Pöblers Karsten Jancker mit einem Pitbull visuell gekreuzt und prangert rechte Gewalt im Stil eines B-Movie-Plakats an. Eine andere Studentin nimmt Gewalt als subtile und allgegenwärtige Bedrohung im öffentlichen Raum wahr und setzt das in einem Doppelplakat um. Glücklicherweise kommt niemand mit einer Spiegelfolie. Darüber würde vermutlich nicht einmal mehr diskutiert.
Im Rennen sind dafür mindestens drei weitere interessante Entwürfe. Ein Student muss das bekannteste Zitat von Gustav Heinemann kennen: Wenn man mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf jemanden weist, zeigen demnach vier Finger auf einen selbst. Im Entwurf zeigen vier Männchen mit dem Zeigefinger auf ihr Gegenüber. Von oben betrachtet wird ein Hakenkreuz daraus. Was ist die Aussage dieser im Stil eines „Pünktchen und Anton“-Buchtitels umgesetzten Idee? Das Böse sind wir alle? Also doch eine Art Spiegelfolie mit anderen Mitteln? Auf jeden Fall muss man richtig drüber nachdenken.
Oder lässt es bleiben, wie ein anderer Wettbewerbsteilnehmer: Auf einem sofort als Porträt Adolf Hitlers erkennbaren Fotoausschnitt schreibt der einfach „idiot“. Oder doch lieber noch einmal nachdenken? Über eine spannende Idee: Ein weißes Quadrat, umgeben von einem gelben Rahmen und direkt über dem Quadrat „Ich bin stolz darauf,“ ... Schon Jochen Gerz hatte bei seinem Harburger Mahnmal gegen den Faschismus die PassantInnen eine Metallsäule vollkritzeln lassen, bevor er die Säule im Boden versenken ließ. Ähnlich wird auch dieser Plakatentwurf erst durch das Mitwirken fertig. Bei Tests an Bushaltestellen standen schnell Reaktionen auf dem Plakat: „Worauf?“ oder „auf meine Freundin“.
Im März entscheidet die AGI-Jury. Voraussichtlich im späten Frühjahr oder Frühsommer werden die preisgekrönten Entwürfe bundesweit plakatiert. Zuvor haben sich an vielen Hochschulen, unter anderem in Bremen, junge GestalterInnen mit ehrenvollen Absichten kluge Gedanken gemacht. Ohne jeden Verwertungsdruck. Das ist ein Privileg. ck
Der Wettbewerbs-Mitinitiator und vielfach ausgezeichnete Plakatgestalter Uwe Loesch kommt am Freitag, 2. Februar, nach Bremen. Unter dem Titel „Anschläge auf die Fläche im Kopf des Betrachters“ hält er ab 15.30 Uhr einen Vortrag in der Hochschule für Künste, Am Wandrahm 23.
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