: Milliarden für die Schlachtung von Millionen
Die BSE-Krise belastet die EU-Kassen „im günstigsten Fall“ mit 6,7 Milliarden Mark. Deutschland bringt noch einmal etwa 1,7 Milliarden auf
BERLIN taz ■ BSE soll inzwischen an so ziemlich allem schuld sein – sogar am schwachen Euro. Den Kurswert von unter 92 Cent führten gestern Devisenhändler auch auf die BSE-Krise in Europa zurück, obwohl auch ihnen überhaupt nicht klar ist, warum sich die verrückten Kühe negativ auf den Eurokurs auswirken sollten. Klar ist dagegen, dass die BSE-Krise die öffentlichen Haushalte in Europa mit Milliardensummen belasten wird und möglicherweise die Inflation anheizt.
Allein das Programm „Aufkaufen für die Vernichtung“, mit dem die Europäische Union zwei Millionen Rinder vom Markt nehmen will, wird die Brüsseler Kassen „im günstigsten Fall“ mit 3,4 Milliarden Euro (etwa 6,7 Milliarden Mark) belasten, sagt EU-Agrarkommissar Franz Fischler. Im schlimmsten Fall rechnet die EU allerdings mit der doppelten Summe, falls weiter fallende Preise direkte Interventionen am Markt nötig machen sollten. Immerhin ist der Markt in Europa um die Hälfte eingebrochen, und auch der Export ist versperrt: Kaum jemand will noch europäisches Rindlfleisch essen.
Der deutsche Steuerzahler ist an dem umstrittenen EU-Programm für Schlachtung, Entsorgung und BSE-Tests direkt mit etwa 350 Millionen Mark beteiligt. Das ist aber noch lange nicht alles, wie aus einem Zwischenbericht der Bundesregierung an den Haushaltsausschuss des Bundestages über die „finanziellen Folgen der BSE-Krise“ hervorgeht. Insgesamt zahlt demnach der deutsche Steuerzahler etwa 1,7 Milliarden Mark. Bund und Länder wenden für die Entsorgung von Viehfutter und Entschädigungszahlungen 190 Millionen auf. 681 Millionen Mark kostet die Entsorgung von Tiermehlen und Tierfetten, die obligatorischen BSE-Tests an allen Schlachtrindern machen 326 Millionen Mark aus. Die Einkommensverluste der Bauern sind in dieser Rechnung nicht enthalten, auch nicht die Belastungen für die Tierseuchenkassen, die den Bauern bei Massenkeulungen einen Teil des Werts der Herde ersetzen.
BSE könnte auch die Lebenshaltungskosten nach oben treiben, warnt eine Studie der britischen Bank Goldman Sachs. Obwohl der Preis für Rindfleisch fällt, weichen die Verbraucher auf Fleisch von Schweinen oder Geflügel aus und treiben so die Preise in die Höhe. In Brandenburg etwa ist Schweinefleisch inzwischen fast 10 Prozent teurer als vor einem Jahr. Insgesamt, hat Goldman Sachs errechnet, könnten sich die Kosten für die Lebenshaltung in Deutschland um 0,3 Prozent erhöhen. Europaweit droht ein Anstieg um 0,4 Prozent. BERNHARD PÖTTER
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