: Gottvater stellt sich taub
Finanzsenator Kurth musste gestern im Parlament für die umstrittenen Bankgeschäfte seines politischen Ziehvaters geradestehen – und ging ganz vorsichtig auf Distanz. Landowsky selber schwieg. Grüne sehen Götterdämmerung heraufziehen
von RALPH BOLLMANN
Es war keine leichte Aufgabe für Finanzsenator Peter Kurth (CDU). Im Abgeordnetenhaus musste er gestern unter den Augen seines Fraktionschefs Klaus Landowsky Auskunft über dessen umstrittene Geschäfte bei der landeseigenen Bankgesellschaft geben. Das Problem: Einerseits konnte Kurth den mächtigen Fraktionvorsitzenden, der seine Karriere massiv gefördert hat, nicht düpieren. Andererseits durfte sich der Senator nicht allzu kategorisch darauf festlegen, dass bei dem landeseigenen Institut alles in Ordnung ist – stellt sich am Ende doch das Gegenteil heraus, wäre auch seine eigene Karriere beendet.
Für den grünen Fraktionschef Wolfgang Wieland stand das Urteil schnell fest. Die „Chance, aus dem Schatten des Gottvaters herauszutreten“, habe Kurth „leider nicht genutzt“. Da hat der wortgewaltige Oppositionspolitiker allerdings nur die halbe Wahrheit gesagt. Wenn der Finanzsenator spricht, muss man auf die Zwischentöne achten. Und wer gestern genau zuhörte, musste feststellen: Dass bei Landowskys Berlin Hyp etwas faul ist, hat Kurth keineswegs ausgeschlossen.
Muss die Bankgesellschaft auf stille Reserven zurückgreifen, um dieses Jahr noch Dividende zahlen zu können? Nein – „nach all dem, was mir bekannt ist“. Gab es Regelverstöße bei den Krediten für die gescheiterte Plattenbausanierung der Firma Aubis? Nein, „es liegen bis heute keine Anhaltspunkte dafür vor“. Ist mit weiteren Wertberichtigung aus den Altrisiken zu rechnen? Ebenfalls nein, „nach heutigem Kenntnisstand“.
Landowsky selbst, der sich sonst bereitwillig in jede Redeschlacht mit dem grünen Frontmann Wieland stürzt, hielt sich gestern bedeckt. Nur mit Zwischenrufen und abwehrenden Gesten nahm er zu den Vorwürfen Stellung. Allerdings hatte der CDU-Fraktionschef seine diagonal gestreifte Bankerkrawatte ausnahmsweise mit einem einfarbigen Modell vertauscht – womöglich ein politisches Statement. Ansonsten war demonstratives Zusammenrücken angesagt: Die CDU-Reihen waren so voll besetzt wie nie.
Als Redner schickten die Koalitionsfraktionen CDU und SPD Abgeordnete aus der zweiten Garde vor. Für die Union durfte immerhin der Haushälter Alexander Kaczmarek die „berufliche Qualifikation“ eines „anarchistischen Taxifahrers“ für das Amt des Bundesaußenministers bezweifeln. Und der SPD-Abgeordnete Michael Müller hielt sich strikt an die Sprachregelung seiner Partei, man fordere „im Interesse von Herrn Landowsky“ lückenlose Aufklärung. Nicht das Parlamentsplenum, sondern der Aufsichtsrat der Bank sei der richtige Ort für die nötigen Fragen, begründete SPD-Landeschef Peter Strieder seine Abstinenz in der Debatte.
Es blieb der Opposition überlassen, den Fragenkatalog noch einmal aufzulisten. In einer „Spur von Größenwahn“, so Wieland, habe die „kleine Pfandbriefbank“ Landowskys den Sprung zur großen Hypothekenbank schaffen wollen. Um in das Geschäft mit Immobilienfonds ganz groß einzusteigen, habe das Newcomer-Institut „mehr Sicherheit versprochen, als sie ein Bundesschatzbrief hat“. Die Risiken, so Wieland, blieben an der Bank hängen. Sie habe immer neue Fonds auflegen müssen, um die Verluste zu bezahlen – ein „Schneeballsystem“. Der Aktienkurs der Bankgesellschaft habe sich seit 1998 halbiert, das Land Berlin als größter Anteilseigner werde „entreichert durch diese Immobiliengeschäfte, die niemand anders als Klaus Landowsky zu verantworten hatte“.
Wie auch immer die Affäre weitergeht: Nichts wird mehr sein wie zuvor, Landowskys Position als Spree-Napoleon ist angekratzt. „Es lag diese Woche so etwas wie Götterdämmerung in der Luft“, beschrieb der Grüne Wieland diese Stimmung. Die Granden der CDU rückten gestern noch einmal zusammen. Diepgen begab sich in die letzte Reihe und plauschte lange mit seinem alten Berater Peter Radunski, Diepgen und Landowsky redeten vor der Bankdebatte ausgiebig auf Peter Kurth ein.
Dem Finanzsenator wird Wielands Wort von der „Götterdämmerung“ in den Ohren geklungen haben. Wenn die Könige stürzen, dann reißt es die Kronprinzen oft mit in den Abgrund. Das musste die CDU auf Bundesebene erfahren, und nach dem Ende des „Systems Landowsky“ könnte es nicht anders sein – ganz gleich, ob es jetzt kommt oder später. Und darauf, der Berliner Union den Schäuble zu machen, ist der Finanzsenator gewiss nicht erpicht.
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