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Gewalt ohne Ende in Mitrovica

Nach dem Tod eines 16-Jährigen liefern sich aufgebrachte albanische Jugendliche schon den vierten Tag in Folge Gefechte mit den KFOR-Truppen. Die wollen jetzt ihre Kontingente in der zwischen Albanern und Serben geteilten Stadt verstärken

von ERICH RATHFELDER

Die Gewalt in der zwischen Albanern und Serben geteilten Stadt Kosovska-Mitrovica nimmt kein Ende. Auch gestern kam es dort zu Auseinandersetzungen zwischen albanischen Jugendlichen und Soldaten der internationalen Truppen (KFOR) sowie Demonstrationen. Albaner protestierten gegen die KFOR und Anschläge von Serben auf ein von Albanern, Bosniaken und Roma bewohntes Wohnviertel. Bei Auseinandersetzungen am Vortag waren mindestens 20 KFOR-Soldaten zum Teil schwer verletzt worden. Die KFOR will weitere Truppen in die Region verlegen.

Auslöser der Unruhen war der Tod eines 16-jährigen Albaners in der in der serbisch kontrollierten nördlichen Stadthälfte gelegenen albanisch-bosniakischen Enklave Bosniacka Mahala am Montag. Fünf Jugendliche wurden bei dem Vorfall schwer verletzt. Nach einem Bericht von Resik Haniti, einem Cousin des Getöteten, wollten die Jugendlichen nachsehen, weil ein Haus am Rande der Enklave brannte. Sie trafen auf eine Gruppe von Serben, die Handgranaten warfen.

Nur unter Schwierigkeiten konnten Anwohner die Verletzten und den Toten bergen. Die für die Sicherheit in Bosniacka Mahala zuständigen französischen KFOR-Truppen halfen nach Auskunft der Anwohner bei der Bergung nicht. Auch seien sie zum Ärger der Albaner nicht gegen die Serben vorgegangen. Auch als am Dienstag militante Serben in ein von Albanern bewohntes Haus eingedrungen und eine Frau krankenhausreif geschlagen hätten, hätten sich die KFOR-Truppen nicht eingemischt. Nach dem Vorfall forderten die Franzosen die Familie lediglich auf, ihr Haus sofort zu verlassen.

Das Verhalten der KFOR nach diesen Vorfällen hat zu spontanen Demonstrationen im albanisch kontrollierten Südteil der Stadt geführt. Nach Berichten der Presseagenturen versuchten albanische Jugendliche, über eine von der KFOR kontrollierte Brücke zu der bedrohten Enklave Bosniacka Mahala vorzudringen, seien aber von der KFOR zurückgehalten worden. Seit Mittwoch flogen wiederholt Steine, die KFOR-Soldaten verletzten. Auf serbischer Seite fielen während der albanischen Demonstrationen Schüsse – Zivilisten schossen mit Maschinenpistolen in die Luft. Nach Aussagen der UN-Mission im Kosovo sollte keine Seite mehr Waffen besitzen. Ein Sprecher des serbischen Bürgermeisters lehnte jegliche Verantwortung für die Vorfälle ab. Aus diplomatischen Quellen jedoch war zu erfahren, dass die Pro-Milošević-Kräfte in Nord-Mitrovica Auseinandersetzungen provozieren wollten, um ein Eingreifen der jugoslawischen Armee in Südserbien zu legitimieren. Im Raum Presevo-Medvedja-Bujanovac an der Grenze zu Kosovo hat die albanische Militärorganisation UCPMB Anschläge auf serbische Polizisten verübt. Sie kämpft für den Anschluss der Albanergebiete an Kosovo. Auf beiden Seiten gibt es Stimmen, die dafür plädieren, die serbisch kontrollierten Gebiete Kosovos nördlich Mitrovicas an Serbien und die Albanergebiete Südserbiens an Kosovo anzuschließen.

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