: Aktion Noteingang zieht Notbremse
Wenn Parteien für mehr Zivilcourage eintreten, droht ihnen die Zivilgesellschaft mit dem Rechtsanwalt
Es sind, da gibt es keinen Zweifel, harte Vorwürfe, die das antirassistische Brandenburger Bündnis „Aktion Noteingang“ gegen die Berliner Grünen erhebt. „Parteipolitikerin tritt unter falschem Namen auf“, warnt das Jugendbündnis in einer Presseerklärung vor einem Auftritt der grünen Landesvorstandssprecherin Regina Michalik auf dem 1.-Mai-Fest auf dem Kreuzberger Mariannenplatz. Denn auf Plakaten ist Michalik als Sprecherin der Aktion Noteingang angekündigt. Davon aber hat die Brandenburger Aktion Noteingang erst durch Plakate erfahren.
Das Jugendbündnis hatte seit 1998 in Brandenburg dazu aufgerufen, Aufkleber mit der Aufschrift „Wir bieten Schutz vor rassistischen Übergriffen“ an kommunalen Einrichtungen und Geschäften anzubringen. Bei den Kommunen stieß man damit meist auf wenig Gegenliebe. Erst als im letzten Sommer die Republik die Dimensionen des Rechtsextremismus zur Kenntnis nahm, konnte sich die Initiative plötzlich über umfassende Unterstützung freuen. Im September 2000 erhielt die Aktion Noteingang den Aachener Friedenspreis. Im Oktober beschlossen die Grünen auf ihrem Landesparteitag, die Kampagne auch in Berlin unter dem Namen „Aktion Noteingang“ zu starten.
Das Brandenburger Jugendbündnis fürchtet nun eine Instrumentalisierung. „Wir haben die Grünen über unseren Rechtsanwalt aufgefordert, eine entsprechende Unterlassungserklärung zu unterzeichnen“, sagt Sprecher Knut-Sören Steinkopf. Er wirft der Partei vor, das ursprüngliche Konzept der Kampagne verwässert zu haben. „Der Rassismus wird auf Nazi-Übergriffe reduziert, obwohl auch die unmenschliche Asylpolitik eine Gefahr für Leib und Leben von Flüchtlingen bedeutet.“
Einen Kompromissvorschlag, nach dem auch ein Vertreter der Brandenburger Aktion Noteingang auf dem Fest am 1. Mai auftreten soll, lehnen die Grünen ab. Denn die Kritik aus Brandenburg löst in der Parteizentrale in der Oranienstraße große Verwunderung aus. „Die Vorwürfe sind völlig falsch“, kontert Regina Michalik. Sie sei von den Veranstaltern des Festes lediglich eingeladen worden, über die Berliner Aktion Noteingang zu sprechen, und trage daher weder für die Redeliste noch für die Ankündigung die Verantwortung. Auch der Vorwurf, alltäglicher Rassismus werde ausgeblendet, sei unzutreffend. Zudem habe es die Aktion Noteingang schon lange vor 1998 in verschiedenen Städten, unter anderem in Berlin, gegeben; der von den Brandenburgern erhobene Anspruch auf Titelschutz sei daher unbegründet. Die grüne Landesvorstandssprecherin hält die Brandenburger ihrerseits für „irgendwie beleidigt“, weil sie die Kontrolle über ihren Erfolg verloren hätten. Politisch sei es fatal, die Aktivitäten anderer zu kritisieren, wenn diese „nicht zu 100 Prozent der eigenen Analyse“ entsprächen. Noteingang-Sprecher Steinkopf hält dagegen: „Wenn die Grünen eine Initiative mit einer anderen inhaltlichen Bestimmung starten wollen, können sie sich dafür jeden Namen der Welt aussuchen.“
Auf dem Mariannenplatz-Straßenfest wird der Konflikt jedenfalls nicht ausdiskutiert werden. Michalik: „Wer würde das schon verstehen?“ Und neuer Streit steht der Aktion Noteingang ohnehin schon ins Haus. Die Junge Union Kreuzberg-Friedrichshain kündigte gestern an, einen Aufkleber mit der Aufschrift „Noteingang. Wir bieten Schutz vor linksextremistischen Übergriffen“ zu verteilen, der auch in seinem Layout dem Original nachempfunden ist. Damit wolle man auf die „wahre Gefährdung“ von links sowie auf „die unverhältnismäßige Ausweitung der politisch überkorrekten Aktion Noteingang“ aufmerksam machen.
ANDREAS SPANNBAUER
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